Wasserbürger-Kommentar zur Sendung
Um die Antwort vorweg zu nehmen: Schlecht geht Deutschland mit jenen Menschen um, die versuchen, die Öffentlichkeit über unhaltbare Mißstände zu informieren. Eine gesetzliche Grundlage zum Schutz von Whistleblowern bzw. Insidern aus Betrieben, Unternehmen und anderen Organisationen ist bis heute nicht geschaffen worden! Diese Unterlassung steht in einem elementaren Widerspruch zu jenem „Aufruf der Anständigen“ des ehemaligen „Superministers“ Wolfgang Clement, der gemeinsam mit anderen „Führungskräften“ alle Bürger aufrief, auffällige Harzt IV Betroffene umgehend zu melden bzw. zu denunzieren.
Eine längst überfällige gesetzliche Regelung zum Schutz von Insidern könnte folgendermaßen aussehen:
BGB § 612a Anzeigerecht
(1) Ist ein Arbeitnehmer auf Grund konkreter Anhaltspunkte der Auffassung, dass im Betrieb oder bei einer betrieblichen Tätigkeit gesetzliche Pflichten verletzt werden, kann er sich an den Arbeitgeber oder eine zur innerbetrieblichen Klärung zuständige Stelle wenden und Abhilfe verlangen. Kommt der Arbeitgeber dem Verlangen nach Abhilfe nicht oder nicht ausreichend nach, hat der Arbeitnehmer das Recht, sich an eine zuständige außerbetriebliche Stelle zu wenden.
(2) Ein vorheriges Verlangen nach Abhilfe ist nicht erforderlich, wenn dies dem Arbeitnehmer nicht zumutbar ist. Unzumutbar ist ein solches Verlangen stets, wenn der Arbeitnehmer aufgrund konkreter Anhaltspunkte der Auffassung ist, dass
1. aus dem Betrieb eine unmittelbare Gefahr für Leben oder Gesundheit von Menschen oder für die Umwelt droht,
2. der Arbeitgeber oder ein anderer Arbeitnehmer eine Straftat begangen hat,
3. eine Straftat geplant ist, durch deren Nichtanzeige er sich selbst der Strafverfolgung aussetzen würde,
4. eine innerbetriebliche Abhilfe nicht oder nicht ausreichend erfolgen wird.
(3) Von den Absätzen 1 und 2 kann nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden.
(4) Beschwerderechte des Arbeitnehmers nach anderen Rechtsvorschriften und die Rechte der Arbeitnehmervertretungen bleiben unberührt.
Eine solche Regelung zum Schutz von Arbeitnehmer geht dem Lager der Arbeitgeber zu weit: So sieht der BDA hierin nicht nur ein Risiko für das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sondern sieht auch den Betriebsfrieden gefährdet. Angeblich bestünde die Gefahr, dass Denunziantentum gefördert wird, was bei öffentlichkeitsrelevanten Nachrichten aufgrund der negativen Publizität auch nachteilige Folgen für das gesamte Unternehmen einschließlich der Arbeitsplätze haben kann. Ist eine Tatsache erst einmal öffentlich bekannt gemacht, lässt sie sich kaum noch ohne Imageverlust wieder aus der Welt schaffen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Vorwürfe berechtigter oder unberechtigter Weise gemacht wurden. Das beabsichtige Gesetz wird insbesondere auch deshalb kritisiert, weil es einige handwerkliche Mängel aufweist und an entscheidender Stelle zu weit bzw. zu unbestimmt ist.
Diese BDA-Plattitüden mögen freilich nicht überzeugen: Gerade was die behauptete Gefährung des Betriebsfriedens betrifft, würde erst ein gesetzlicher Insider-Schutz den Druck auf die Arbeitgeber erhöhen, innerbetriebliche Schlichtungsstellen einzuberufen, um eine Störung des Betriebsfriedens erst gar nicht entstehen zu lassen!
Völlig außer acht gelassen wird außerdem, dass im Fall einer Insider-Anzeige zunächst ein staatswanwaltliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, um zu überprüfen, ob die Anzeige auf einer berechtigten Grundlage basiert. Und was den befürchteten Imageverlust betrifft, da wird keine Redaktion einer Tageszeitung ein Unternehmen ohne eine fundierte journalistische und juristische Überprüfung öffentlich kritisieren, da ansonsten das zu Unrecht geschädigte Unternehmen umfangreiche Regressforderungen gegenüber der Presse geltend machen kann und wird. Wir erinnern in diesem Zusammenhang an den brillanten Spielfilm „Insider“ des amerikanischen Regisseur Michael Mann nach einer wahren Begebenheit. Es geht in dem Film über die Macht der Tabakindustrie, die versucht hat, eine Sendung eines führenden Nachrichtensenders über den Bericht eines ehemaligen Forschungsleiters von krebserregenden Beimischungen zu verhindern.