Andre Heller: Strache-Video offensiv zur Aufklärung über Rechtspopulisten an Schulen und Universitäten einsetzen!

Andre Heller: Strache-Video offensiv zur Aufklärung über Rechtspopulisten an Schulen und Universitäten einsetzen!
(2. Update)

Am 28.5. interviewte Hannah Friedrich in der Kulturzeit (3SAT) den österreichischen Universalkünstler Andre Heller zum Ibiza-Video und den Rechtspopulisten.

Damit eine nachhaltige Demaskierung von HC Strache und den Rechtspopulisten gelingt, plädierte Andre Heller dafür, das Ibiza-Video in viele Sprachen zu übersetzen und das ganze Material vollständig an allen Schulen und Universitäten zu zeigen. Sein persönlicher Wunsch: Diesen Film in 40 Kinos gratis vorzuführen, und zwar in voller Länge!

Was dem Einsatz des vollständigen Videos als politisches Aufklärungsmaterial zumindest in den Schulen möglicherweise im Wege stehen könnte, wäre die „orgiastische Entartung“ der letzten Stunde des Films, so der Diplomat und ehemalige Vizepräsident des deutschen Bundesnachrichtendienstes, Rudolf Adam, in der Sendung „Talk im Hangar 7“ vom 23. Mai. Musste sich HC Strache erst in Ekstase reden, damit dann nach dem verbalen Vorspiel sprich dirty talking auch die allerletzten Hüllen fallen konnten?

Sein Rückzug aus der österreichischen Regierungsverantwortung scheint unterdessen wohl kalkuliert gewesen zu sein, denn schließlich dürfte auch ein HC Strache nach dem Dreh vor 2 Jahren genügend Zeit gehabt haben, um zu erkennen, dass aus der angestrebten Geschäftstätigkeit mit russischen Oligarchen nichts geworden ist. Und so wundert es nicht, dass Personen vom Schlage eines Strache nicht klein bei geben. Der Stimmengewinn seiner Partei bei den EU-Wahlen lässt befürchten, dass Strache jetzt im europäischen Parlament sein Treiben fortsetzen wird. Eine andere Befürchtung äußerte der österreichische Schriftsteller Robert Menasse in einem Interview des Deutschlandfunks: Nach Menasse ist sich die „überwältigende Mehrheit“ einig, dass Sebastian Kurz als der eigentlich Schuldige aus der Krise als Sieger hervorgehen wird (O-Ton Menasse 1:45 Min).

Umso wichtiger ist der Vorschlag von Andre Heller, das Video-Material breit zu streuen und damit auch die Jugend zu konfrontieren. Die Bedeutung, gerade junge Menschen politisch zu demokratisieren, wird durch mehrere Studien des „Vereins zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der Zeitgeschichte“ unterstrichen. Der Verein hat nicht nur mehrere Studien zur neuen Autoritarismusforschung durchgeführt und veröffentlicht, sondern auch die Einstellungshaltungen von Studierenden umfassend untersucht. Hier geht es zu den Ergebnissen der Umfrage aus dem Jahr 2018. Besonders lesenswert ist der Artikel des Historiker Prof. Oliver Rathkolb zur „Neuen Autoritarismusforschung“ in der Beilage „Aus Politik und Zeitgeschichte“ aus dem Jahr 2011. Hier der Link zum PDF-Dokument.

Thomas Rudek
Berlin, 25.09.2018

Rückfragen bitte per mail an ThRudek@gmx.de

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Elisabeth Wehling und der Shitstorm gegen das ARD-Framing-Gutachten – Gerechtfertigt, überzogen oder komplett daneben?

Auszug: Elisabeth Wehling und der Shitstorm gegen ihr ARD-Framing-Gutachten
Gerechtfertigt, überzogen oder komplett daneben?

Seit Gustav Le Bon´s elitärer Abhandlung über die „Psychologie der Massen“, verfasst zu Beginn des letzten Jahrhunderts, ist die Bedeutung der Sprache als Herrschafts- und Steuerungsinstrument bekannt1.Und auch der öffentlich-rechtliche Sender ARTE hat dem Massenpublikum mit dem Dokumentarfilm „Edward Bernays und die Wissenschaft der Meinungsmache“ die Wirkungsmacht der Propaganda und der Public Relations im vergangenen Jahr beeindruckend aufzeigen können2.

Im Vergleich zu diesen Erklärungsversuchen, wie fundamental die Meinungs- und Medienindustrie unser Denken als Konsumenten und Bürger tagaus, tagein in Beschlag nimmt, schlug das von der Kognitionswissenschaftlerin Elisabeth Wehling im Jahr 2016 vorgestellte Buch „Politisches Framing“ ein wie eine Bombe.

Wehling betonte nicht nur die zentrale Bedeutung sogenannter Sprachbilder oder „gedankliche Deutungsrahmen“3 (Frames) anhand von aktuellen Beispielen aus der deutschsprachigen Politdebatte (von der ungebremsten Wachstumsfixierung über Rettungsschirme für Banken, Flüchtlings“welle“, Klima“wandel“, Erd“erwärmung“, Steuer“befreiung“, Steuer“oasen“, Steuer“flucht“, Mindestlohn, Lohnuntergrenze, „Unter“schicht“, Humankapital etc.). Sie hat auch kritisch herausstellen können, wie sich diese Sprachbilder auf unsere Einstellungshaltungen und Sichtweisen verheerend auswirken4 / 5. Positiv beeindruckend ist auch die in dem ersten Teil ihres Buches unternommene, leicht verständliche Einführung in die wissenschaftlichen Grundlagen ihres Forschungsbereiches und wie sie die hohe Anfälligkeit für sprachliche Manipulationstechniken nachweist6. Überraschend ist auch ihre Einschätzung, wer besonders betroffen ist: Vor allem „Menschen mit umfassenden politischen Kenntnissen“ seien „anfälliger als diejenigen unter uns, die wenig über Politik nachdenken und wenig über die Details politischer Angelegenheiten informiert sind“ (Wehling, S.51).7

Als jetzt auf der Internetplattform netzpolitik.org ein sogenanntes „Framing-Gutachten“ veröffentlicht wurde, das Elisabeth Wehling im Rahmen einer Zusammenarbeit für die ARD erstellt hat, fielen die Reaktionen nicht nur äußerst negativ aus, sondern es wurde ein regelrechter Shitstorm gegen Elisabeth Wehling inszeniert, der gerade vor dem Hintergrund ihrer Publikation über „Politisches Framing“ unverhältnismäßig und völlig überzogen erscheint8. Gewiss: In ihrer lesenswerten Publikation trat sie als kritische, unabhängige, analytische Wissenschaftlerin in Erscheinung, während sie für die ARD als auftragsabhängige Beraterin tätig war, die die von ihr analysierten (Manipulations)Techniken jetzt nicht analytisch entlarvte, sondern nun zur kundenbezogenen Anwendung brachte.

Betrachtet man jedoch die Kritik, dann fällt vor allem auf, dass sich diese ausgerechnet am öffentlich-rechtlichen „Staatsfunk“ entzündet, aber die Manipulationstechniken der privatwirtschaftlich-kommerziellen Medienanbieter und ihrer „Journalisten“, Redakteure und Programmmacher unerwähnt bleiben!9 Schade, dass die Betreiber von netzpolitik.org sich dieser manipulativen Machenschaften nicht annehmen…

Zum vollständigen Artikel im PDF-Format hier  (3. Update 21.3.2019)

1Hinsichtlich der „Überredungsmittel der Führer“ betont Le Bon bereits 1911: „Vor allem muß er den bezaubernden Einfluß der Worte, Redewendungen und Bilder kennen. Er muß eine besondere Beredsamkeit besitzen, die aus energischen Behauptungen, die nicht zu beweisen sind, und eindrucksvollen, von ganz bestimmten Urteilen umrahmten Bildern zusammengesetzt ist“ (Le Bon, Psychologie der Massen, 1982, S.141). Amüsant sind auch seine Ausführungen über „große Revolutionsredner“ (S. 143f.).

2https://programm.ard.de/TV/arte/edward-bernays-und-die-wissenschaft-der-meinungsmache/eid_28724688997427

3Dieser von Wehling selbst gewählte Übersetzungsversuch verleitet zu der falschen Annahme, dass der gedankliche Deutungsrahmen als ein bewusster Wahrnehmungsprozess zu verstehen ist. Wie sie jedoch in dem ersten Teil ihrer Publikation unmissverständlich darlegt, wirken die Frames unbewusst und sind gerade deshalb in ihrer tiefenpsychologischen Wirkung besonders gefährlich.

4Elisabeth Wehling vermittelt nicht nur eine Einführung in die Grundlagen des politischen Framing, sondern zeigt speziell an den deutschsprachigen Politikdebatten über Steuern (Steuerzahler versus Steuerbeitrag, Steuerlast, Steuerbefreiung, Steuerflucht, Steuerschlupfloch, Steueroase), Sozialleistungen (Leistungsträger), Arbeit, Abtreibung (Schwangerschaftsabbruch), Zuwanderung (Flüchtlingsstrom), Islamfeindlichkeit und Terrorismus sowie Umwelt (erneuerbare Energien) hochgradig manipulative Gefährdungslagen auf, weil „Kernbegriffe… Frames aktivieren, die im krassen Gegensatz zu unserer Gesetzes- und Rechtslage, und damit unserem Common Sense, stehen oder zumindest davon abweichen. Und wieder andere, weil sie unstrittige Fakten kognitiv kaschieren oder falsch wiedergeben“ (Wehling, Politisches Framing, S.83).

5Auch hierzu bereits Le Bon in „Psychologie der Massen“: „Die Macht der Worte ist mit den Bildern verbunden, die sie hervorrufen, und völlig unabhängig von ihrer wahren Bedeutung“ sind „So z.B. die Ausdrücke, Demokratie, Sozialismus, Gleichheit, Freiheit u.a., deren Sinn so unbestimmt ist, daß dicke Bände nicht ausreichen, ihn festzustellen. Und doch knüpft sich eine wahrhaft magische Macht an ihre kurzen Silben, als ob sie die Lösung aller Fragen enthielten… Mit bestimmten Worten verbinden sich zeitweilig bestimmte Bilder: das Wort ist nur der Klingelknopf, der sie hervorruft“ (Le Bon, S.71).

6„Frames, nicht Fakten, bedingen unser Entscheidungsverhalten“ unter Hinweis auf den Nobelpreisträger Daniel Kahnemman und andere namhafte Kognitionswissenschaftler (Marvin Minsky) (Wehling, S. 45ff).

7Die herausragende Bedeutung dieser Veröffentlichung wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass es heute stärker als zuvor um den „Krieg um die Köpfe“ geht (so auch der Titel des Jahreskongresses der Neuen Gesellschaft für Psychologie im Jahr 2015). Der Konservative Kurt Biedenkopf betonte bereits 1973: „Wir erleben heute eine Revolution, die sich nicht der Besetzung der Produktionsmittel, sondern der Besetzung der Begriffe bedient. Sie besetzt Begriffe und damit die Information in der freien Gesellschaft, indem sie die Medien besetzt, die Stätten also, in denen das wichtigste Produkt einer Freiheit hergestellt wird: die politische Information.“

8Statt vieler „Debatte um Gutachten der ARD. Anleitung zum Framing?“ vom 18.02.2019 im Deutschlandfunk unter https://www.deutschlandfunk.de/debatte-um-gutachten-der-ard-anleitung-zum-framing.2907.de.html?dram:article_id=441347

9Dass diese „Schieflage“ in der Wahrnehmung entstanden ist bzw. entstehen sollte, ist auch auf die verschiedenen Finanzierungsmodelle zurückzuführen: Während das öffentlich-rechtliche Mediensystem überwiegend durch die GEZ finanziert wird, sieht das bei den privaten Medienkonzernen anders aus. Sie generieren ihr ökonomisches Fundament hauptsächlich aus Einnahmen der Werbeindustrie

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Michael Müller´s solidarisches Grundeinkommen wird von Thadeusz leider nicht nur beobachtet…

UPDATE: Thadeus & seine 4 Beobachter beäugen auch Michael Müller´s solidarisches Grundeinkommen, wollen und können es aber nicht verstehen

Auch wenn Berlins regierender Bürgermeister Michael Müller mit seinem in der Berliner Morgenpost veröffentlichten Beitrag über ein solidarisches Grundeinkommen nicht nur Fragen, sondern auch Kritik provoziert, so bilden seine Gedanken eine wichtige Plattform für die Diskussion um Übergangsmodelle. Ob die Frage eines Systemwechsels in Richtung Grundeinkommen tatsächlich eine realistische Chance habt, hängt vor allem davon ab, wie diese Diskussion in den Leitmedien geführt wird. Gerade vor dem Hintergrund der wachsenden Medienkritik sind vor allem an die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten hohe Anforderungen zu stellen. Das rbb-Format „Thadeus und die Beobachter“ erscheint auch deshalb besonders beobachtungswert, weil hier ein Moderater einer öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalt mit vier Journalisten der (privaten) Printmedien aktuelle Themen diskutiert: Mit Claudia Kade (Welt), Elisabeth Niejahr (WirtschaftsWoche), Hajo Schumacher (Berliner Morgenpost), Claudius Seidl (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung).

Am 20. März wurde im Rahmen eines allgemeinen Themenhopping auch der Vorschlag von Michael Müller innerhalb von 8 Minuten weniger seriös diskutiert als abgehakt. Auffällig war die Ablehnung nicht nur des solidarischen, sondern generell eines Grundeinkommens als Alternative gegenüber dem gegenwärtig bestehenden System. Lediglich Claudius Seidl bekundete kurz seine Überzeugung (O-Ton Seidl 0:58), dass in 20 Jahren ein Großteil der Erwerbsarbeit nicht mehr von Menschen gemacht werden muss. Selbst der von Müller in Aussicht gestellte Wegfall der Sanktionen wurde abgelehnt, allen voran Elisabeth Niejahr (O-Ton 1:46 Min.).

Aus dem Interview in der Berliner Morgenpost:
„Was tun Sie in Ihrem Modell mit Leuten, die keinen solchen Job wollen? Soll es Sanktionen geben?“
Müller: „Es geht um Freiwilligkeit, keineswegs um einen Arbeitszwang… Wer eine Arbeit nicht aufnehmen will oder kann, bekommt auch weiterhin die Sozialleistungen, die wir kennen. Mir geht es um einen Schritt nach vorne.“

Beschämend waren vor allem die ungenauen und falschen Angaben der Journalisten: Bereits im Eingangsstatement verglich Claudia Kade von der Zeitung „Die Welt“ den Vorschlag von Michael Müller mit den Arbeitsge­legenheiten, die mit den sogenannten 1-Euro-Jobs geschaffen wurden, ohne bei diesem Vergleich – und das ist entscheidend – zu berücksichtigen, dass a) diese Jobs in der Regel auf eine wöchentliche Arbeitszeit von 30 Stunden beschränkt waren und b) Vergünstigungen wie die GEZ-Befreiung oder die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs zu sozial ermäßigten Tarifen für die von Armut betroffenen Menschen nicht gefährdet wurden. Und so wundert es auch nicht, wenn die hochbezahlten Journalisten auch kein Wort über die Verdiensthöhe verloren haben, geschweige denn ihre Aufmerksamkeit der Frage gewidmet haben, inwieweit ein Verdienst in diesem öffentlich geförderten Niedriglohnsektor vor Altersarmut schützt1. Auch in der Zielgruppen dürfte die Diskutanten daneben liegen: Es geht eben nicht um Personen, die nach einem Jahr Arbeitslosigkeit keine neue Anstellung gefunden haben, sondern es geht um Langzeitarbeitslose mit niedriger Qualifizierung, die sich nach prekärer Beschäftigung jetzt erneut im Niedriglohnsektor verdingen sollen!

Es ist zu befürchten, dass es sich bei den Vorstellungen von Michael Müller um eine Mogelpackung handeln könnte und sich herausstellt, dass hinter dem „solidarischen Grundeinkommen“ in Wirklichkeit das Hartz-System lediglich neu aufgelegt wird und sich als Geburtsstunde von Hartz V entpuppt! Ob sich diese Befürchtung bewahrheitet, hängt auch davon ab, wie die kommunale Beschäftigung ausgestaltet wird, ob die Tarifstruktur des öffentlichen Dienstes nicht unterhöhlt wird, und vor allem, ob es Müller wirklich gelingt, der Sanktionspraxis ein für allemal den Riegel vorzuschieben. Dann – und nur dann – würden nicht nur die Sozialgerichte entlastet (für Frau Niejahr übrigens auch Ausdruck eines „Sozialstaates mit sooo viel gewachsenen Rechtsansprüchen“ – ja, was denn Frau Niejahr? Steht der Sozialstaat für Sie außerhalb des Rechtsstaates?), sondern wir hätten einen tatsächlichen Meilenstein unter all den Baustellen, die dennoch bestehen bleiben.

Insgesamt muss der Thadeusz-Talk als ein intellektuelles Armutszeugnis bewertet werden. Wer unter Hinzuziehung von Journalisten in Führungspositionen derartige Plattitüden absondert, der befeuert die Kritik an den Leitmedien: Wer aus seiner Komfortzone mit arroganter Selbstgefälligkeit von oben auf von Armut betroffene Menschen nicht nur herunterschaut, sondern diese auch noch gegeneinander auszuspielen versucht, dem sollen die Leser auch weiterhin davon laufen, und zwar in Scharen.

1 Aus dem Interview in der Berliner Morgenpost: „Wie hoch soll das Einkommen denn sein?“
Müller: „Wir orientieren uns am Mindestlohn. Da landet man als Single in Vollzeit bei etwa 1500 Euro brutto oder 1200 Euro netto. Wenn man Kinder hat, kommt noch das Kindergeld dazu.“

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