Mitbestimmungsgesetz für eine kostengünstige Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe als neues Volksbegehren

Der Preis der Rekommunalisierung oder:  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Wie eine kostengünstige Rekommunalisierung gelingen kann

Ein Diskussionspapier von Thomas Rudek

Betrachten wir die Tatsachen:

  1. Die gründliche wie kritische Prüfung der bisher veröffentlichten Rechtsdokumente einschließlich einer systematischen Auflistung der Anfechtungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung der Frage, wer klageberechtigt und welches Gericht zuständig ist, ist nach Auskunft der Juristin Sabine Finkenthei, die die gegenwärtige Prüfung durch 10 ehrenamtlich arbeitende Juristen koordiniert, zeitaufwendig;
  2. Die Beschreitung des jeweiligen Klageweges wird sich über mehrere Jahre hinziehen;
  3. Die Politik versucht das Thema der „Rekommunalisierung“ in der öffentlichen Diskussion zum einen negativ zu besetzen (zu teuer – IHK-Gutachten), zum anderen wird der Begriff der Rekommunalisierung höchst fragwürdig definiert (Beibehaltung privatrechtlicher Organisations­formen, Beibehaltung betriebswirtschaftlicher Kalkulationsverfahren, die für privat­rechtliche organisierte Unternehmen üblich sind, u.a.)1

Vor dem Hintergrund dieser Einschätzung sind nicht nur dringend Konzepte erforderlich, sondern auch strategische Alternativen notwendig, wie – ergänzend zur Überprüfung – die Rekommunalisierung „bürgernah“ und „kostengünstig“ nicht nur politisch gefordert, sondern auch juristisch durchgesetzt werden kann.

In Anbetracht dieser Einschätzung wie der Weigerung des Vertragspartners „Veolia“, sich aus dem (Berliner) Wassergeschäft zurückzuziehen, liegt die Frage auf der Hand, ob das Thema der Rekommunalisierung nicht auch Gegenstand eines Gesetzes sein kann – nach dem Motto: Was mit dem Teilprivatisierungsgesetz geschaffen worden ist, das sollte mit einem neuen „Rekommunalisierungsgesetz“ doch auch abgeschafft werden können.

Kernelemente des neuen Volksgesetzes zur Mitbestimmung für eine kostengünstige , bürgernahe Rekommunalisierung:

  1. Im Mittelpunkt des Gesetzes steht zum einen die vollständige Rekommunalisierung durch einen Rückkauf der Anteile durch das Land Berlin. Zum anderen geht es um ein Verfahren, dass festlegt, wie die Höhe des Betrages für den Rückkauf ermittelt werden kann. Es handelt sich folglich um ein ergebnisoffenes Verfahrensgesetz, mit dem die Mitbestimmung der Zivilgesellschaft ermöglicht und eröffnet wird.
  2. Das „Zauberwort“ bzw. der Kerngedanke dieses Verfahrensgesetzes lautet „Mitbe­stimmung“ und greift den gegenwärtigen Zeitgeist der politischen Partizipation auf. Es handelt sich um ein 2-stufiges Verfahrensgesetz, indem die Bürger darüber abstimmen können, zu welchem Preis die Rekommunalisierung erfolgen soll (s. hierzu die Kurzdarstellung aus der jw) 2.
  3. Unterdessen konnten zwei wichtige, verfahrenstechnische Fragen zufriedenstellend beantwortet werden: Wie kann in der ersten Stufe die organisierte Zivilgesellschaft eingebunden werden und welche (organisatorischen) Anforderungen sind an den Entscheidungsprozess in den zivilgesell­schaftlichen Gruppen zu stellen? Das Verfahren der ersten Stufe ist einfach konzipiert: Sobald das neue Volksgesetz zur Mitbestimmung in Kraft getreten ist, können innerhalb einer vorgegebenen Frist zivilgesellschaftliche Organisationen mit einer festen Geschäftsadresse ihre Mitwirkung beim Abgeordnetenhaus anmelden. Nach der Anmeldefrist werden die zivilgesellschaftlichen Gruppen 3 Kategorien zugeteilt: Soziales & Kultur / Arbeit & Wirtschaft / Umwelt & Sonstige. Innerhalb dieser „Obergruppen“ organisieren die Vertreter der zivilgesellschaftlichen Organisationen eigenverantwortlich innerhalb einer vorgegebenen Frist den Meinungsbildungsprozess. Jede der 3 Obergruppen kann dem Abgeordnetenhaus 2 Vorschläge für eine Rückkaufsumme vorlegen, wobei die jeweiligen Gruppenvorschläge sowohl den kleinsten als auch den höchsten Betrag enthalten.
  4. In der zweiten Stufe geht es um die Frage, wie die Rolle de Abgeordneten­hauses in diesem Verfahren hervorgehoben werden kann. Ohne an dieser Stelle zu sehr ins Detail zu gehen, so ist vom Verfahrensablauf vorgesehen, dass die von den zivilgesellschaftlichen Gruppen erarbeiten 6 Vorschläge vom Abgeordnetenhaus gewichtet werden (Empfehlungsquoten), bevor diese dann der Bevölkerung im Rahmen eines Referendums zur Abstimmung vorgelegt werden. Da Fragen, die den Haushalt berühren, zum Kernrecht des Abgeordnetenhauses gehören, müssen an dieses Verfahren sehr hohe Maßstäbe angelegt werden, damit das neue Volksgesetz die verfassungs­recht­liche Überprüfung übersteht und zugelassen wird.3 Um diese hohen Anforderungen zu erfüllen, ist vorgesehen, dass a) Vorschläge, die vom Abgeordnetenhaus nicht empfohlen werden, ein höheres Zustimmungsquorum (30 % der Wahlberechtigten) benötigen, und b) Vorschläge, die von allen Fraktionen des Abgeordnetenhauses ausdrücklich abgelehnt werden, ein noch höheres Zustimmungsquorum bedürfen.

Die Ausgestaltung dieser zweiten Verfahrensstufe hinsichtlich möglicher verfassungs­rechtlicher Einwände wird zurzeit noch von Juristen geprüft.

Unnötig zu erwähnen, dass ein solches Mitbestimmungsgesetz nicht so einfach zu entwickeln ist wie das Gesetz zur Offenlegung aller Rechtsdokumente zur Teil­privatisierung der Berliner Wasserbetriebe.

Umgekehrt – und DAS ist die eigentliche Herausforderung – kann ein solches Gesetz als Vorlage für andere Rekommunalisierungsprojekte gelten, zumal es die Kernfrage aller Rekommunali­sierungs­vorhaben berührt: Zu welchen finanziellen Bedingungen soll eine Rekommunalisierung erfolgen!

Thomas Rudek

Da für jedes Volksbegehren formelle Anforderungen erforderlich sind (Geschäftsadresse des Trägers, in diesem Fall die “Berliner Wasserbürger”, und fünf Vertrauenspersonen), bitten wir um Verständnis, dass wir den Gesetzestext im Wortlaut erst veröffentlichen werden, nachdem diese formellen Anforderungen geklärt sind.

1 Die Tatsache, dass fast 75% der Stadtwerke gesellschaftsrechtlich eine privatrechtliche Organisationsform gewählt haben (überwiegend GmbH – Quelle: difu-Vortrag im Herbst letzten Jahres), führt zu der Frage, ob bei einer solchen Organisationsform der Begriff der “Rekommunalisierung” überhaupt angemessen ist. Nur zur Erinnerung: Betriebe, die als GmbH organisiert sind, können sich kommunalen Auflagen durch Berufung auf die Rechtssystematik entziehen, da sie gesellschaftsrechtlich dem Bundesrecht und nicht kommunalrechtlichen Kontrollverfahren unterliegen. Wenn man eine privatrechtliche Unternehmensform wie eine GmbH oder eine AG wählt, unterwirft man sich dem Bundesrecht, wodurch die kommunal- oder landesrechtlichen Einflussmöglichkeiten verringert werden!
Die Höhe des Wasserpreises bzw. der Wassergebühren hängt maßgeblich von dem (betriebswirtschaftlichen) Berechnungsmodell ab und welche Parameter in die Berechnung “einfließen”. In einem auf reine Kostendeckung ausgerichteten Berechnungsmodell wären kalkulatorische Kosten und kalkulatorische Zinsen gegebenenfalls gänzlich zu neutralisieren, mindestens aber anders aufzuschlüsseln und wesentlich niedriger zu bewerten.

2 „Mitbestimmung ist ein Schlagwort aus der Arbeitswelt, das sich jedoch problemlos auf andere gesellschafts­politische Bereiche wie die Rekommunalisierungsdiskussion übertragen lässt. Denkbar wäre beispielsweise ein Gesetz, in dem ein zweistufiges Verfahren vorgeschlagen wird, wie die Zivilgesellschaft bei den Verhandlungen über eine angemessene Höhe für den Rückkauf der privaten Anteile mitbestimmt. In der ersten Stufe würden zunächst Vertreter der organisierten Zivilgesellschaft (Erwerbslosenverbände, Gewerkschaften, Mieter- und Eigentümerorganisationen, Kirchen, Umweltverbände, Gewerbetreibende) gemeinsam mit Vertretern der Fraktionen zusammenkommen, um über eine angemessene Rückkaufsumme zu verhandeln. Am Ende würden mehrere Beträge stehen, die dann in einer zweiten Verfahrensstufe der Bevölkerung im Rahmen eines Referendums zur Abstimmung vorgelegt werden.“ (Finkenthei / Rudek, „Vom Protest zur Veränderung“ in: junge welt)

3 Das Zustimmungsgesetz wurde dahingehend novelliert, dass nach einem erfolgreichen Antrag auf Zulassung eines Volksbegehrens (20.000 Stimmen) der Gesetzestext inhaltlich auf seine verfassungsrechtliche Zulässigkeit durch den Verfassungsgerichtshof Berlin überprüft wird.

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