Wortlaut der Stellungnahme des Finanzsenats auf unseren offenen Brief

Aus der Mitte des Abgeordnetenhauses erreichte die Wasserbürger am Wochenende (25. August) die Information, dass die Senatsverwaltung für Finanzen auf unser Schreiben vom 17.8. reagiert hat. Wir erhielten daraufhin aus dem Abgeordnetenhaus – und nicht vom Senat (!) – den Wortlaut  dieses Schreibens, das aus der Abteilung IA1 stammt. Die zuständige Staatssekretärin Frau Dr. Margaretha Sudhof nimmt auch regelmäßig an den Sitzungen des Sonderausschusses teil.

In Anbetracht der Eilbedürftigkeit, mit der die Exektuive den überteuerten Rückkaufvertrag durch das Parlament schleusen will, haben wir auf die Stellungnahme reagiert und den Abgeordneten verdeutlicht, dass die Anschuldigungen und Vorwürfe des Senats haltlos sind.

Hier der LINK zu unserer gemeinsamen Antwort auf die unverfrorene Stellungnahme des Senats (s.u.)

Stellungnahme (Wortlaut) des Finanzsenats auf unseren Offenen Brief vom 17. August

„Stellungnahme zum Offenen Brief der Berliner Wasserbürger u.a. vom 17.08.12 „Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe: Teurer Rückkauf für 1,3 Mrd. € im Schnellverfahren oder gibt es kostengünstige Alternativen?“

Das Schreiben ignoriert vollständig das dem Sonderausschuss Wasser vorliegende Gutachten des wissenschaftlichen Parlamentsdienstes (WPD) vom 31.05.2012, demzufolge ein gerichtliches Vorgehen im Sinne des o.g. „Leitfadens“ wenig erfolgversprechend wäre.

Es behauptet eine „Vorteilhaftigkeitsberechnung“ der Vertragsrückabwicklung gegenüber dem vom Land angestrebten Rückkauf. Diese „Berechnung“ will zeigen, dass die Rückabwicklung der Wasserverträge für das Land günstiger wäre als der Rückkauf. Im Ergebnis fordert der Brief die Abgeordneten auf, das Parlamentsgutachten zu ignorieren und unter Bezugnahme auf den „Leitfaden unabhängiger Juristen zur Nichtigkeit der Wasserverträge“ Organklage zur Anfechtung der Teilprivatisierungsverträge zu erheben.

Die „Berechnungen“ konnten in der Kürze der Zeit nur einer summarischen Prüfung unterzogen werden. Dabei fällt auf, dass Beträge auf eigenwillige Weise verteilt werden. Beispiel: Die Privaten haben das Land Berlin im Schiedsverfahren auf Zahlung von 340 Mio. € verklagt. Die „Wasserbürger-Berechnung“ verteilt diesen Betrag gemäß den Anteilsverhältnissen auf alle drei Anteilseigner, also auch auf das Land Berlin als Schiedsverfahrensgegner (!). Den Privaten würde danach nur 170 Mio. € statt der geforderten 340 Mio. € für das Schiedsverfahren zugesprochen werden (vgl. rechte Tabellenspalte S. 2). Das muss man schon als fundamentalen handwerklichen Fehler bezeichnen. Überdies wird das Gutachten des WPD komplett ignoriert. Deshalb wird vorgeschlagen, von einer Detailauseinandersetzung mit der behaupteten Höhe der Rückabwicklungskosten abzusehen. Denn es geht hier ersichtlich nicht um Fakten, sondern um Gewünschtes und Gewolltes.

Eine in der Größenordnung auch nur annähernd verlässliche Schätzung der finanziellen Folgen im Rückabwicklungsfalle ist derzeit nicht möglich. Zu rechnen wäre mit jahrelangen komplizierten, auch gerichtlichen Auseinandersetzungen über Art und Höhe von Rückgewähr- und Ersatzleistungen in Millionenhöhe und mit entsprechenden Rechtsberatungskosten. Die wichtigsten Parameter dafür können skizziert werden wie folgt:

  • Die seinerzeit jeweils ausgetauschten Hauptleistungen wären rückabzuwickeln (insbesondere: Rückzahlung des Kaufpreises).
  • Sodann würden die Privaten eine Vergleichsberechnung aufmachen, dass ihnen Erträge aus einer alternativen Anlage der Mittel entgangen sind. Hiervon wären dann die tatsächlich aus den BWB erzielten Gewinne anzuziehen.
  • Zusätzlich würden die Privaten den ihnen aufgrund des Engagements im Zusammenhang mit den BWB entstandenen Aufwand geltend machen, den es ohne den Konsortialvertrag nie gegeben hätte und der zu ersetzen wäre. Dies betrifft beispielsweise
    • die Nebenleistungen nach Anlage 2.5 des Vertrages, also die Verlagerung von Arbeitsplätzen nach Berlin und die Schaffung neuer Arbeitsplätze, das Kulturengagement (z.B. Förderung des Projektes Deutsche Mediathek) u.a.,
    • die Beteiligung der Privaten an der Entschuldung des SVZ Sekundärrohstoff-Verwertungszentrums Schwarze Pumpe,
    • Managementleistungen zur Entwicklung der BWB (Einbringung von Know-how),
    • die Gründung der gemeinsamen Beteiligungsgesellschaft von RWE und Veolia, einschließlich des gesamten Aufwands im Zusammenhang mit der Beteiligungsführung seit 1999, bis hin möglicherweise zu handels- und steuerrechtlichen Auswirkungen auf Ebene der Muttergesellschaften und nachträglich notwendigen Bilanzänderungen,
    • last but not least: Rechtsberatungskosten in Millionenhöhe.

Weitere Aspekte des Schreibens

Auf S. 3 werden drei aus Verfasser-Sicht möglichen Wege zur Rekommunalisierung dargestellt: Rückabwicklung, Neuverhandlung der Verträge oder Rückkauf. Jedoch unterbleibt die Auseinandersetzung mit den bekannten Informationen und den daraus folgenden zwingenden Schlussfolgerungen:

  • Nichtigkeit/Rücktritt: Keine sinnvolle Variante, siehe oben,
  • Neuverhandlung: Wie die Verfasser zutreffend feststellen, hätte das Land Berlin bisher dafür zu wenig Druckmittel. RWE war zu keinerlei Neuverhandlungen bereit. Die Verhandlungen mit Veolia führten bislang leider auch nicht zum Erfolg. Durch den Rückerwerb der RWE-Anteile ist nunmehr die Verhandlungsposition des Landes gegenüber Veolia deutlich besser.
  • Der beschrittene Weg des Rückkaufs RWE und der Neuverhandlung oder Rückerwerb Veolia somit die einzig mögliche Alternative, wenn der Konsortialvertrag geändert oder aufgehoben werden soll.

Der „Offene Brief“ kritisiert schließlich den vorliegenden Vertragsentwurf mit RWE. Preisanpassungs- und Vorbehaltsklauseln für den Fall der Nichtigkeit der ursprünglichen Wasserverträge hätten aufgenommen werden sollen (S. 3). Das ist wirklichkeitsfremd. Derartige Klauseln sind einerseits nicht erforderlich, andererseits auch im Verhandlungsweg nicht durchsetzbar. Der Vertrag ist nicht nichtig. Das ist die Prämisse, von der sowohl das Land Berlin (u.a. gestützt auf das Gutachten des WPD und der mittlerweile 12-jährigen Zusammenarbeit mit den Privaten, ohne Nichtigkeitsvorbehalte oder –zweifel) als auch RWE ausgehen.“

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