Rekommunalisierung – Die Zukunft der Wasserversorgung in Berlin: Rückkauf oder Enteignung? Zeit für einen Tabubruch!

Rekommunlisierung – Die Zukunft der Wasserversorgung in Berlin: Rückkauf oder Enteignung? Zeit für einen Tabubruch!

Das Ziel des Volksentscheids zur Offenlegung der Wasserverträge ist und bleibt die kostengünstige Rekommunalisierung. Die Informationen, die aus der Presse über die Rückkaufbedingungen bekannt geworden sind, lassen befürchten, dass eine vorschnelle Rekommunalisierung, ohne die Verträge zuvor einer gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen, für Berlin viel zu teuer ausfallen wird. Gewiss eine Rekommunalisierung ist nicht zum 0-Tarif zu haben, denn der Eigentumsschutz genießt im Grundgesetz einen hohen verfassungsrechtlichen Stellenwert. Doch wie aus Art. 14 Abs. 3 des Grundgesetzes eindeutig hervorgeht, so ist der Eigentumsschutz nicht unantastbar. Entscheidend ist das Wohl der Allgemeinheit:

„Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen.“

Die Schlüsselfrage lautet: Wer nimmt die gerechte Abwägung zwischen den Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten vor? Wer entscheidet, wie hoch eine angemessene Entschädigung für die privaten Anteilseigner RWE und Veolia ausfällt?  Die Rückkaufverhandlungen laufen nach dem üblichen Muster ab: Zuerst wird der Öffentlichkeit ein hoher Rückkaufpreis gemeldet, woraufhin die üblichen Verdächtigen wie die IHK, der Landesrechnungshof etc. ihre Empörung mediengerecht in Szene setzen. Anschließend wird der Eindruck vermittelt, dass nach harten Verhandlungen die Rückkaufbedingungen zugunsten der öffentlichen Hand verbessert werden konnten. Die Enteignung als Alternative zu den Rückkaufverhandlungen wird hingegen tabuisiert. Auch das neue Sprecher“team“ des Wassertischs (Mehringdamm) wiegelte den Vorschlag für ein inhaltlich entsprechend ausgerichtetes neues Volksbegehren mit fadenscheinigen Ausflüchten ab (s. Protokoll LINK). Dabei ist es unterdessen offensichtlich: Wenn die Verträge nicht über den Weg einer verfassungsrechtlichen Organklage angefochten werden sollten (was auch vom Wassertisch blockiert wird), dann führt an einer Enteignung kein Weg vorbei. Bei der gerechten Abwägung über die Höhe einer angemessenen Entschädigung sollte die Bevölkerung in Form eines Referendums mitbestimmen. Ausgehend von der Annahme, dass für den Rückkauf eine Summe von 1,4 Mrd. € zu veranschlagen wäre, dann könnte die Bevölkerung darüber abstimmen, ob dieser Betrag zu niedrig, angemessen oder zu hoch bzw. viel zu hoch angesetzt ist. Mit einem entsprechendem Abstimmungsergebnis hätten die politisch Verantwortlichen eine repräsentative Grundlage für ein „Entschädigungsgesetz zur Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe“.

Thomas Rudek (Verfasser des Volksgesetzes zur Offenlegung der Wasserverträge)

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rbb Abendschau v. 5.7.2012: Privatisierungsbefürworter Jobst Fiedler wettert gegen Rekommunalisierung

Berlin, d. 5.7.2012. Ob es das mangelnde Gespür ist oder doch eine deutliche Zeichensetzung, welche die Abendschau-Redaktion ihren Zuschauern vermitteln will? Niemand kann leugnen, dass die Themen der Daseinsvorsorge und der Kritik an der Privatisierung immer stärker in den Blickpunkt der Bevölkerung geraten. Das ist jedoch nicht der Verdienst der Medien, sondern der des gewonnenen Wasser-Volksentscheids, wie der Erfolg der beiden anderen laufenden Volksbegehren des S-Bahn-Tisches und des Energietisches. Erst kürzlich hat der Energietisch die erste Stufe des Volksbegehrens (Antrag auf Zulassung) mit Erfolg zu Ende führen können. An diesem Interesse der Bevölkerung kommen auch die Medien nicht vorbei.

Allerdings ist es doch sehr bezeichnend, wie die Abendschau ihrer Berichtspflicht nachkommt und welche Gesprächspartner die Abendschau der Bevölkerung zur allerbesten Sendezeit vorsetzt. Von Jobst Siedler, einem Privatisierungsbefürworter und Lehrer an einer privaten Berliner Hochschule, war nichts anderes zu erwarten als die üblichen neoliberalen Vorbehalte. Doch das Fiedler im Widerkäuen neoliberaler Plattitüden auch noch flankierende Schützenhilfe von seiner Gesprächspartnerin erhielt, indem diese auf die teuren Wasserpreise in Potsdam verwies, sprengte dann doch den Rahmen des Zumutbaren. Zum einen wurde durch die Einbeziehung Potsdams fälschlicherweise suggierert, dass die hohen Wassergebühren in Potsdam mit der Rekommunalisierung zusammenhängen. Das ist falsch, denn die hohen Wasserpreise hängen mit den Kosten der Teilprivatisierung zusammen. Faktisch sind durch den Einstieg des privaten Investors in Potsdam keine öffentliche Einnahmen erzielt worden, sondern nur erhöhte Ausgaben. Diese zahlen die Potsdamer noch heute und in den nächsten Jahren ab.

Doch schwerwiegender wiegt die Unterschlagung der Frage, was die Zukunft bringt, wenn alles so bleibt, wie es ist, und keine Anstrengungen unternommen werden, den Fehler von einst zu korrigieren. Wenn die Daseinsvorsorge unter die Räder der Privaten kommt, dann wollen diese vor allem satte Gewinne raus holen. Hierfür werden alle Rechentricks zum Einsatz gebracht. Die angeblichen Effizienzvorteile erschöpfen sich häufig auf den Personalabbau. Dass diese sogenannten Externalisierungskosten (mehr Erwerbslose und Frührentner) wiederum die Sozialhaushalte stärker belasten, wird gekonnt von den „Effizenzexperten“ der Privatisierungslobby ausgeblendet.

Auch wurde in dem Gespräch peinlich genau darauf geachtet, dass der Faktor der Gewinnerwirtschaftung und zukünftigen Preisentwicklung mit keinem Wort erwähnt wird. Gerade im Fall der zukünftigen Gewinnausschüttungen an die privaten Anteilseignern der Berliner Wasserbetriebe ist diese Blindheit nicht nachzuvollziehen, da der Senat die Zahlen seiner Prognose auf den Tisch gelegt hat: Zwischen 2012 und 2028 würden Gewinne in Höhe von über 1,8 Mrd. €  an RWE und Veolia ausgeschüttet werden! Geld, das zusätzlich zu den normalen Betriebskosten und zu den Gewinnerzielungsabsichten des Landes, in die Taschen der Privaten fließen würde und das nicht nur den Berlinern fehlt, sondern auch den Gewerbetreibenden.

Doch wie Eingangs bemerkt: Es ging in diesem Gespräch weder um Aufklärung noch um die Darlegung sachlich fundierter Bedenken, es ging um die Pflege alten Brauchtums: Das hohe Lied auf das freie Unternehmertum in einer Stadt, die einst geteilt war. Doch allen Ernstes: Ob das Festhalten an alt-ausgedienten ideologischen Klischees hilfreich ist, wenn es um die zukünftigen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Herausforderungen unserer Hauptstadt geht? Gewiss brauchen wir auch in der Daseinsvorsorge moderene, leistungsstarke Unternehmen. Die Privaten haben ihre Chance gehabt und diese leider nicht genutzt, um die Bevölkerung zu überzeugen, dass sie die Daseinsvorsorge besser managen können. Höchste Zeit für einen Systemwechsel in der Daeinsvorsorge und vor allem in der Wasserversorgung, einem natürlichen Monopol.

Thomas Rudek

Flankierende Schützenhilfe für Fiedler (Link zum Tonmitschnitt aus dem Gespräch in der Abenschau – Auszug)
Zum Abendschau-Beitrag „Energienetze in der Diskussion“ mit anschließendem Interview mit Fiedler (LINK)
Artikel in der ZEIT über Fiedlers Beratertätigkeit

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Morgenpost v. 30.6.2012: Land Berlin verliert teuren Kampf um Wasserbetriebe von Joachim Fahrun / Kritiker fordern Offenlegung des Schiedsverfahrens

– s. zweiten offenen Brief an Finanzsenator Nußbaum (Link)
– zur kleinen Anfrage von großer Bedeutung von Daniel Buchholz (MdA, SPD) (Link)

Land Berlin verliert teuren Kampf um Wasserbetriebe

340 Millionen Euro muss Berlin an die privaten Anteilseigner RWE und Veolia zahlen. Zu diesem Ergebnis kommt ein geheimes Schiedsgericht.

„Das Land Berlin verliert den teuersten Kampf mit den privaten Anteilseignern der Berliner Wasserbetriebe. Das geheime Schiedsverfahren, in dem die Miteigentümer Veolia und RWE vom Land Berlin 340 Millionen Euro fordern, wird wohl zuungunsten des Senats ausgehen. Das ist nach Informationen aus Regierungskreisen das Fazit einer mündlichen Verhandlung, die das dreiköpfige Schiedsgericht Anfang Juni angesetzt hatte. Demnach tendieren die Juristen in vier von fünf umstrittenen Punkten zu der Rechtsauffassung der privaten Kläger…

Die Abschreibungsregeln wurden geändert

Nachdem das Berliner Verfassungsgericht Teile des Teilprivatisierungsvertrages für nichtig erklärt hatte, hatten sich die privaten Investoren ausbedungen, dass ihnen Nachteile aus diesem Richterspruch auf andere Weise ausgeglichen werden. 2003 kamen dann das Land und die Privaten überein, die Abschreibungsregeln zu ändern. Die Umstellung auf „Wiederbeschaffungszeitwerte“ ist aber interpretierbar, weil man darüber streiten kann, wie viel es kostet, in 50 Jahren eine Rohrleitung zu ersetzen oder ein neues Klärwerk zu bauen. Entsprechend groß waren die Differenzen zwischen Privaten und dem Land. 2008 erwirkten RWE und Veolia eine Neuberechnung und riefen das Schiedsgericht mit ihrer Forderung nach 340 Millionen Euro an…“

zum vollständigen Artikel (Link)

Kritiker fordern Offenlegung des Schiedsverfahrens

Wasserbetriebe: Land und Private streiten um Millionen

„… Nun sind erstmals belastbare Informationen nach außen gedrungen über ein Verfahren, dessen Existenz bis vor drei Jahren in der Öffentlichkeit nicht bekannt war…

Es geht um Rücklagen

Vereinfacht gesagt ist es umstritten, wie viel Geld die BWB für die Wiederbeschaffung von Anlagen zurücklegen muss. Seit der Teilprivatisierung 1999 gehört der Berliner Wasserversorger dem Land Berlin (50,1 Prozent) und den Unternehmen RWE und Veolia (je 24,95 Prozent). 2003 haben sich die Partner auf neue Regeln für Abschreibungen und Rücklagenbildung verständigt. Diese führten dazu, dass die BWB einen größeren Anteil ihrer Gewinne im Unternehmen behalten muss. Jedes Jahr ging es dabei um einen Betrag von rund 40 Millionen Euro. Diese zusätzlichen Reserven haben schon vor rund vier Jahren Begehrlichkeiten bei den privaten Investoren geweckt. RWE und Veolia verlangten, dass ihnen ein Teil der Rücklagen ausbezahlt werden müsste. Der Senat lehnte das ab. Ihren Anspruch leiten die Privaten aus der wohl umstrittensten Klausel der Teilprivatisierungsverträge ab – der Garantie, wonach ihnen das Land Berlin Nachteile ausgleichen müsse, die sich ergeben, weil eine ursprünglich 1999 geplante Begünstigung vom Berliner Verfassungsgerichtshof kassiert worden war.

Die Kritiker der Wasserprivatisierung sind alarmiert. In einem offenen Brief fordert ein Bündnis aus der Bürgerinitiative Berliner Wasserbürger, der Grünen Liga, des Verbandes deutscher Grundstücksnutzer, des Bundes der Steuerzahler und eine Gruppe unabhängiger Juristen Finanzsenator Ulrich Nußbaum auf, den Schiedsspruch und die Hintergründe öffentlich zu machen. Damit sind die Absender etwas voreilig, weil es noch keinen abschließenden Schiedsspruch gibt.“ (Hervorhebung und Verlinkungen durch die Wasserbürger – siehe unten)

zum vollständigen Artikel (Link)

Kommentar Wasserbürger: Es ist die Frage, ob wir „voreilig“ handeln, oder der Senat auf Zeit spielt, um zu verhindern, dass die Europäische Kommission das bereits feststehende Ergebnis des Schiedsverfahrens, den Schiedspruch, zum Gegenstand der laufenden europarechtlichen Prüfung der Teilprivatisierungsverträge erhebt.

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