05.07.2014, RBB (TV), 22.00 – 00.50 Uhr: INSIDER von Michael Mann mit Al Pacino und Russel Crowe

insider
Was Michael Mann 1999 geschaffen hat, ist ein herausragender, spannungsgeladener Polit- und Medienthriller, der nicht nur ohne Blutvergiessen und Actionszenen 170 Minuten fesselnd ist, sondern auch auf einer wahren Begebenheit basiert. Erzählt wird die Geschichte von Jeffrey Wigand (gespielt von Russel Crowe), ein Forschungsleiter eines großen Tabakkonzerns, der seinen Job verliert, weil er seine Bedenken über Camarin nicht für sich behält, sondern der Konzernleitung mitteilt. Camarin ist ein karzinogener Zusatzstoff, der dem Tabak bei der Zigarettenherstellung beigemischt wird, um den Amoniakeffekt zu verstärken bzw. zu gewährleisten, dass das Nikotin schneller im Körper seine Wirkung erzielt. Die Konzernleitung befürchtet einen Umsatzeinbruch und kündigt Wigand seine Stelle. Nach langem Zweifeln und Hadern will der gefeuerte Chemiker sein Insiderwissen über die krebserregenden Beimischungen an die Öffentlichkeit bringen. Der Nachrichten Producer Lowell Bergman, gespielt von Al Pacino, wirkt bestärkend auf Wigand ein, scheitert dann jedoch an der Leitung seines  Fernsehsenders, der eine Milliardenklage der Tabaklobby befürchtet. Die Leitung vehindert die Ausstrahlung des Interviews. Parallel wird von der Tabakindustrie eine Schmutzkampagnge gegen ihren ehemaligen Chemiker inszeniert. Bergman gelingt es durch die Hilfe investigativer Kollegen die Schmutzkampagne zu entlarven und informiert seine Kollegen aus den Print-Medien über die internen Vorgänge in seinem Sender – wird also selbst zum Insider. Am Ende wird nach firmeninternen Auseinandersetzungen dann das Interview doch noch ausgestrahlt. Die Aussagen Wigands führten zu einem Vergleich der Tabakindustrie mit ihren Klägern in Höhe von 227 Mrd. $!

Was diesen Film auch auszeichnet ist die Einbettung des Films in zwei andere Ereignisse: Am Anfang des Films wird Bergman im Nahen Osten gezeigt, wie er versucht, einen Anführer der Hisbollah zu einem Fernseh-Interview zu bewegen. Und am Ende gelang es Bergman über seine Verbindungen zum FBI, dass sein Fernsehsender exklusiv von der Festnahme des Una-Bombers Theodore Kaczynski berichten konnte. Durch diese Einbindung gelingt es Michael Mann ganz subtil, die Frage der Bedrohung durch verschiedene Formen der Gewaltanwendungen in den Raum zu stellen: Wer hat mehr Leichen im Keller: die Tabakindustrie, die Hisbollah oder der Una-Bomber?

Während der Fim auf WDR kürzlich zu nachtschlafener Zeit ausgestrahlt wurde, geht der RBB einen besseren Weg und es ist zu hoffen, dass dieser pädagogisch äußerst wertvolle Spielfilm von vielen gesehen wird! Übrigens wird einer längst überfälligen gesetzlichen Regelung für einen umfassenden Insider- bzw. Whistleblowerschutz in Deutschland auf die lange Bank geschoben. Die Wasserbürger berichteten über das Thema anlässlich einer Hintergrundsendung des Deutschlandfunks über den nicht vorhandenen Whistleblowerschutz in Deutschland (s. LINK).

Tonmitschnitt aus dem Film: Das Interview mit Jeffrey Wigand
Tonmitschnitt aus dem Film: Lowell Bergman in der firmeninternen Auseinandersetzung um die Ausstrahlung des Interviews

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Mediendemokratie & Bürgerbeteiligung: 2254-Nachtgespräche werden stumm geschaltet! Führungsetage von Deutschlandradio Kultur hat kein offenes Ohr für die Stimmen ihrer Hörer

2254-Nachtgespräche werden stumm geschaltet! Führungsetage von Deutschlandradio Kultur hat kein offenes Ohr für die Stimmen ihrer Hörer

button-rettet2254

Zur Petition:
rettet2254.info

Mehr als 15 Jahre hielt der Sender Deutschlandradio Kultur für seine Zuhörer eine ganz besondere Möglichkeit der Beteiligung bereit: Zu nächtlicher Stunde zwischen ein und zwei Uhr konnten Menschen unter der kostenfreien Telefonnummern 0800 – 2254 2254 ihre Meinungen, Ansichten, Erfahrungen und Anregungen zu ausgewählten Themen live mitteilen. Durch das gezielte Nachfragen der Moderatoren gelang es nicht nur, die Anliegen der Anrufer gezielt auf den Punkt zu bringen. Durch die einfühlsame Gesprächsführung entstanden auch Momente einer aufgeschlossenen Vertrautheit. In diesem Klima fiel es den anrufenden Gesprächsteilnehmern leicht, die eigenen Gedanken zu offenbaren oder sich auf vorherige Anrufer zu beziehen. Was hier entstand, war eine authentische Gesprächskultur des Zuhörens und Mitteilens, in der ein sachlicher und persönlicher Austausch von Meinungen im Mittelpunkt stand.

Die Führungsetage von Deutschlandradio-Kultur will jetzt dieses Modell einer aktiven Hörerbeteiligung abwickeln. Bereits ab 21. Juni – mitten im Fieber der Fußball-Weltmeisterschaft – wird es diese Möglichkeit der Bürgerbeteiligung nicht mehr geben! Begründet wird dieser Einschnitt vom Kultur-Redakteur Dr. Hans-Dieter Heimendahl mit der Zielvorgabe, dass durch eine Programmreform der Unterschied zwischen Deutschlandfunk als Anbieter eines Informationsprogramms und Deutschlandradio Kultur als Anbieter eines Musikprogramms eindeutiger herausgestellt werden soll. Doch gerade der Hinweis auf die Wortnacht des Deutschlandfunks (dlf) als Alternative mag vor allem deshalb nicht überzeugen, da ein entsprechendes Beteiligungsformat für Bürger vom dlf bisher nicht angeboten wird. Außerdem beinhaltet die dlf-Wortnacht kein eigenständig neues Programmangebot, sondern bietet lediglich die Wiederhoung von Sendungen des Tagesprogramms an. Da diese Beiträge ohnehin auch als aufgezeichnete Audiodateien (Podcasts) Interessierten auf dem Internetportal zum nachhören angeboten werden, erscheint die Wortnacht (mit Ausnahme der Nacht von Freitag auf Samstag) eher als Lückenfüller, mit dem Kosten gesenkt werden.

Als elitär und arrogant muss die Behauptung von Dr. Heimendahl bewertet werden, es handele sich bei den anrufenden Hörern lediglich um „Zaungäste“ bzw. um eine eingeschworene Gemeinde. Gewiss gibt es Stammhörer, die regelmässig anrufen und mir ihren Anliegen und Absichten auch durchgestellt werden. Doch seit Bekanntwerden der Abwicklungsabsichten der Chefetage melden sich auch aus dem großen Lager der „stillen Hörer“ viele neue Stimmen zu Wort und bekunden telefonisch ihre tiefe Enttäuschung, dass ihnen diese Informationsplattform zukünftig nicht mehr zur Verfügung gestellt werden soll. Ungefähr vor einem Jahr – parallel zur neuen Ausrichtung der GEZ-Gebühr – konnten in den Nachtgesprächen Hörer Vorschläge zur Verbesserung unterbreiten: Neben dem Vorschlag, die Sendezeit auf einen früheren Termin vorzuverlegen, spielte auch die Bitte nach einer Ausweitung der Sendezeit eine herausragende Rolle. Statt nachfrage- und kundenorientiert auf diese Wünsche einzugehen, erfolgt jetzt die komplette Absage an dieses Beteiligungsformat. Auch die Radikalität und Eilbedürftigkeit dieser Entscheidung wie die Terminierung der Abschaltung in die Zeit der Fußball-WM lässt vermuten, dass andere Gründe für diesen Strukturwandel eine Rolle spielen. Statt radikal abzuwickeln, hätten alternative Übergangsformen angeboten werden können, beispielsweise dass die Nachtgespräche wenigstens am Wochenende von Freitag bis Sonntag zweistündig ausgestrahlt werden. Doch gerade die Tatsache, dass solche Alternativmodelle als „Trostpflaster“ für die enttäuschte Hörerschaft nicht in Aussicht gestellt werden, zeigt, worum es geht: Die Mediendemokratie wird zurecht gestutzt, indem die Hörer ihrer Stimmen beraubt werden. Dabei – und auch das ließen mehrere Anrufer in den Nachtgesprächen vom 11. Juni durchblicken – erfüllen die Nachgespräche gerade für Führungskräfte aus Wirtschaft und Politik auch die Funktion eines Frühwarnsystems: Denn wann hat dieser Personenkreis von Entscheidungsträgern schon einmal die Möglichkeit, sich von Bürgern „unverblümt“ ihre Sichtweise anhören zu können. Da diese Programmreform – besser Deform – jedoch auch die Zustimmung der beteiligten Entscheidungsgremien bereits erhalten hat, ist zu befürchten, dass ohne politischen Druck die Funktionsträger nicht einlenken und ihre Entscheidung nicht revidieren werden. Doch es es ist noch schlimmeres zu befürchten: Es entspricht dem neuen Führungsstil, dass Entscheidungen kompromißlos, besser totalitär, um- und durchgesetzt werden, und auch das Archiv der Nachtgespräche mit Audio-Aufzeichnungen dieser „Reform“ geopfert und elemeniert wird. Nichts scheint mehr an diese partizipativ-integrative Option einer lebendigen Ausgestaltung der Mediendemokratie erinnern zu sollen.

Über das Ausmaß der Enttäuschung konnte sich in den frühen Morgenstunden des 11. Juni Dr. Heimendahl selbst ein Bild machen, der den Nachtgesprächen in dieser Sendung als Gesprächspartner beiwohnte. Die Sendung kann unter dem Titel „Welche Ideen stecken hinter der neuen Programmreform?“ nachgehört werden. Bereits die Stimmen auf dem Anrufbeantworter zeigten die hohe Betroffenheit. Die Erklärungs- und Rechtfertigungsversuche von Dr. Heimendahl wurden bereits oben kritisch kommentiert. Dem Anruf eines ehemaligen Hamburger Senators ist es zu verdanken, dass er auf die einmalige Bedeutung dieses Frühwarnsystems verwies, wenn Bürger unverblümt ihre Sicht auf die Dinge mitteilen. Der Moderatorin Birgit Kolkmann wie ihren Mitarbeitern danke ich ausdrücklich, dass sie auch mir die Möglichkeit eröffnet hat, den letzten Redebeitrag beisteuern zu dürfen.

Am (Ab)Stichtag, dem 21. Juni, wird auch der dlr-Programmdirektor Andreas-Peter Weber zwischen 9 und 11 Uhr vormittags die Programm“reform“ den Hörern vorstellen.
Für ein Pressegespräch stehen am 16. Juni ab 11 Uhr Andreas-Peter Weber, Programmdirektor Deutschlandradio, Peter Lange, Chefredakteur, Dr. Hans Dieter Heimendahl, Hauptabteilungsleiter Kultur, sowie Jürgen König, Redaktionsleiter Primetime, (alle Deutschlandradio Kultur) im Funkhaus von Deutschlandradio Kultur zur Verfügung – und es ist gewiss kein Zufall, dass an diesem Tag Deutschland gegen Portugal spielt. Es ist ein altes, strategisches Prinzip, systemrelevante Strukturveränderungen still und leise im Schatten von lärmenden Großereignissen durchzusetzen. Ob die Hoffnung der Verantwortlichen aufgeht und sich kein länger fristiger Widerstand  organisiert?

Auch wenn der berechtigte wie notwendige Aufschrei der Bürger im Getöse der Fußball-WM unterzugehen droht, muss die Empörung und der politische Druck erhalten und ausgeweitet werden. Daher suchen die Wasserbürger nach Bündnispartnern für eine „Interessengemeinschaft für mehr Bürgerbeteiligung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk“. Erste Interessierte, darunter auch mehrere Juristen, konnten bereits gewonnen werden. Interessierte wenden sich bitte an Thomas Rudek, entweder per mail unter ThRudek@gmx.de oder telefonisch unter 030 / 261 33 89 (AB).

Lesenswert der Tagesspiegel-Artikel vom 11.6.2014 von Joachim Huber:
„2254“ auf Deutschlandradio Kultur Format mit Fortüne – aber ohne Zukunft?

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9.6.2014, 18.40 Uhr, dlf: Enthüller oder Nestbeschmutzer? Wie Deutschland mit den eigenen Whistleblowern umgeht. Von Stefan Maas und Jens Rosbach

Wasserbürger-Kommentar zur Sendung

Um die Antwort vorweg zu nehmen: Schlecht geht Deutschland mit jenen Menschen um, die versuchen, die Öffentlichkeit über unhaltbare Mißstände zu informieren. Eine gesetzliche Grundlage zum Schutz von Whistleblowern bzw. Insidern aus Betrieben, Unternehmen und anderen Organisationen ist bis heute nicht geschaffen worden! Diese Unterlassung steht in einem elementaren Widerspruch zu jenem „Aufruf der Anständigen“ des ehemaligen „Superministers“ Wolfgang Clement, der gemeinsam mit anderen „Führungskräften“ alle Bürger aufrief, auffällige Harzt IV Betroffene umgehend zu melden bzw. zu denunzieren.

Link zur Sendung

Eine längst überfällige gesetzliche Regelung zum Schutz von Insidern könnte folgendermaßen aussehen:

BGB § 612a Anzeigerecht
(1) Ist ein Arbeitnehmer auf Grund konkreter Anhaltspunkte der Auffassung, dass im Betrieb oder bei einer betrieblichen Tätigkeit gesetzliche Pflichten verletzt werden, kann er sich an den Arbeitgeber oder eine zur innerbetrieblichen Klärung zuständige Stelle wenden und Abhilfe verlangen. Kommt der Arbeitgeber dem Verlangen nach Abhilfe nicht oder nicht ausreichend nach, hat der Arbeitnehmer das Recht, sich an eine zuständige außerbetriebliche Stelle zu wenden.
(2) Ein vorheriges Verlangen nach Abhilfe ist nicht erforderlich, wenn dies dem Arbeitnehmer nicht zumutbar ist. Unzumutbar ist ein solches Verlangen stets, wenn der Arbeitnehmer aufgrund konkreter Anhaltspunkte der Auffassung ist, dass
1. aus dem Betrieb eine unmittelbare Gefahr für Leben oder Gesundheit von Menschen oder für die Umwelt droht,
2. der Arbeitgeber oder ein anderer Arbeitnehmer eine Straftat begangen hat,
3. eine Straftat geplant ist, durch deren Nichtanzeige er sich selbst der  Strafverfolgung aussetzen würde,
4. eine innerbetriebliche Abhilfe nicht oder nicht ausreichend erfolgen wird.
(3) Von den Absätzen 1 und 2 kann nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden.
(4) Beschwerderechte des Arbeitnehmers nach anderen Rechtsvorschriften und die Rechte der Arbeitnehmervertretungen bleiben unberührt.

Eine solche Regelung zum Schutz von Arbeitnehmer geht dem Lager der  Arbeitgeber zu weit: So sieht der BDA hierin nicht nur ein Risiko für das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sondern sieht auch den Betriebsfrieden gefährdet. Angeblich bestünde die Gefahr, dass  Denunziantentum gefördert wird, was bei öffentlichkeitsrelevanten Nachrichten aufgrund der negativen Publizität auch nachteilige Folgen für das gesamte Unternehmen einschließlich der Arbeitsplätze haben kann. Ist eine Tatsache erst einmal öffentlich bekannt gemacht, lässt sie sich kaum noch ohne Imageverlust wieder aus der Welt schaffen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Vorwürfe berechtigter oder unberechtigter Weise gemacht wurden. Das beabsichtige Gesetz wird insbesondere auch deshalb kritisiert, weil es einige handwerkliche Mängel aufweist und an entscheidender Stelle zu weit bzw. zu unbestimmt ist.

Diese BDA-Plattitüden mögen freilich nicht überzeugen: Gerade was die behauptete Gefährung des Betriebsfriedens betrifft, würde erst ein gesetzlicher Insider-Schutz den Druck auf die Arbeitgeber erhöhen, innerbetriebliche Schlichtungsstellen einzuberufen, um eine Störung des Betriebsfriedens erst gar nicht entstehen zu lassen!
Völlig außer acht gelassen wird außerdem, dass im Fall einer Insider-Anzeige zunächst ein staatswanwaltliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, um zu überprüfen, ob die Anzeige auf einer berechtigten Grundlage basiert. Und was den befürchteten Imageverlust betrifft, da wird keine Redaktion einer Tageszeitung ein Unternehmen ohne eine fundierte journalistische und juristische Überprüfung öffentlich kritisieren, da ansonsten das zu Unrecht geschädigte Unternehmen umfangreiche Regressforderungen gegenüber der Presse geltend machen kann und wird. Wir erinnern in diesem Zusammenhang an den brillanten Spielfilm „Insider“ des amerikanischen Regisseur Michael Mann nach einer wahren Begebenheit. Es geht in dem Film über die Macht der Tabakindustrie, die versucht hat, eine Sendung eines führenden Nachrichtensenders über den Bericht eines ehemaligen Forschungsleiters von krebserregenden Beimischungen zu verhindern.

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