Weltwasserwoche in Stockholm: Wasser in einer urbanisierten Welt

Ob Wassermangel oder hohe Wasserpreise – viele Menschen sehen ihre Zukunft nicht auf dem Land und ziehen in die Slums der neuen Mega-Cities. Hält dieser Trend an, dann werden im Jahr 2050 70 Prozent der Weltbevölkerung in urbanen Gebieten leben.
Weltweit gibt es 500.000 Städte, die 80 Prozent der Ressourcen beanspruchen.  Für die Sicherstellung der Versorgung wird nicht nur Wasser benötigt, sondern muss Energie produziert werden. Nach Auffassung des Architekturprofessors Volker Hartkopf ist der zusätzliche Energiebedarf so hoch, dass „man jedes Jahr einen neuen Drei-Schluchten-Damm“ bräuchte (1).

 

Die Frage der städtischen Wasserversorgung ist auch stets eine Frage der Finanzierung und damit einhergehend eine Frage, inwieweit die Frage der Wasserver- und entsorgung durch die Einbeziehung privater Investoren  beantwortet werden soll.  So wurde der Kampf gegen die profitorientierte Kommerzialisierung der Wasserversorgung in Cochabamba nicht beendet, sondern in La Paz und El Alto weitergeführt: Seit in diesen Städten die Konzerne Ondeo / Suez die Wasserversorgung übernommen haben, sind die Preise um 57,7% gestiegen. Geheimvertraglich zugesicherte Renditen in Höhe 12 Prozent führen dazu, dass für einen Leitungs- und Abwasseranschluss 445 US-Dollar berechnet werden, so dass sich in diesen Städten „über 200.000 Menschen gar keinen Wasseranschluss leisten“ können (Katzmann, Schwarzbuch Wasser, S. 79). Nicht nur in den Ländern Südamerikas, Afrikas und Asiens haben die Armen das Nachsehen. In England führt die Privatisierung dazu, dass in „den Jahren 1993 bis 1998 … der Wasseranteil minderer Qualität von neun auf elf Prozent angestiegen“ ist. Nach den Schilderungen eines britischen Gewerkschaftlers sind die Konzerne dazu übergegangen, in den Wohnungen von sozial schwach gestellten Menschen Wasserautomaten mit Pre-Pay-System zu installieren: Erst wer seine Chipkarte gegen Geld aufgeladen hat, kann den Wasserhahn aufdrehen und die Toilettenspülung benutzen (S. 80) . Bei einem geschätzten jährlichen Marktwert von 22 Mrd. US-Dollar profitieren von einer vorsätzlichen Qualitätsminderung des Leitungswassers vor allem Mineralwasserkonzerne wie Nestlé, Danone u.a. Hier drängt sich dem Leser schon die Frage auf, inwieweit es Verflechtungen zwischen Nestlé und den Konzernen des Wasserkartells gibt. Aufschlussreich ist auch der Hinweis der Autorin auf die ökologischen Kosten des Nachfrage-Booms. Denn: Einer Studie der Universität Hannover zufolge ist für die Versorgung einer Person mit 110 Liter Flaschenwasser soviel Energie erforderlich wie für die Bereitstellung von 44.000 Liter Leitungswasser benötigt wird (S. 92).

Um zu verdeutlichen, unter welchen Bedingungen Menschen in Schwellenländern bereits heute leben, „hat die Umweltorganisation WWF die dort herrschenden Problemsituationen auf Deutschland übertragen: Jeder dritte Bewohner von Berlin hätte dann keinen Wasseranschluss, Trinkwasser müsste zeitweilig über Wochen abgekocht werden, Unternehmen im Großraum Berlin-Potsdam die Produktion bei bestimmten Wetterlagen einstellen“ (dlf-Reportage).

Vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen an die Entwicklung einer langlebigen und leistungsstarkten Infrastruktur ist zu befürchten, dass private Investementfonds mit lukratiiven Renditeversprechungen Kapitalanleger locken und sich die „Investments“ auf jene Bereiche beschränken, in denen die Renditen auch erzielt werden können.

Der jüngste Vergleich der Wassertarife in dem bevölkerungsreichsten Bundesland hatt ergeben, dass die enormen Tarifunterschiede in NRW vor allem in den unterschiedlichen Kalkulationsverfahren und Abschreibungsmethoden begründet liegen (zur Studie des Bunds der Steuerzahler in NRW).

Die Wasserbürger empfehlen die Entwicklung eines einheitlichen Kalkulationsverfahrens, das sich an den Erwartungen der Verbraucher und Gewerbetreibenden orientiert und nicht an den Renditeerwartungen von Kapitalanlegern. Innerhalb der EU fand 1999 die größte Teilprivatisierung in Berlin statt. In Berlin beträgt der Anteil der kalkulatorischen Kosten und kalkulatorischen Zinsen an den Wasserkosten 44 Prozent (Quelle: internes Papier des Berliner Finanzsenatoris Dr. Ulrich Nußbaum)! Nutznießer sind die Konzerne RWE und Veolia sowie das Land Berlin. Im internationalen Städtevergleich werden in Berlin mit die höchsten Wasserpreise bezahlt.

Verstädterung in Zahlen (Quelle: „Brand eins“)
Zahl der in Manhattan lebenden Menschen pro Quadratkilometer: 13 400
Zahl der in der Altstadt von Mumbai lebenden Menschen pro Quadratkilometer: 570 000
Zahl der im Berliner Bezirk Mitte lebenden Menschen pro Quadratkilometer: 8165
Zahl der Menschen, um die die städtische Bevölkerung weltweit pro Tag wächst: 190 000
Zahl der Städte weltweit mit mehr als zehn Millionen Einwohnern im Jahr 1950: 1
Zahl der Städte weltweit mit mehr als zehn Millionen Einwohnern im Jahr 2000: 19

Thomas Rudek – Kontakt: 030 / 261 33 89 e-mail: ThRudek@gmx.de

(1)  

Ein zentrales Problem liegt in der Verstädterung durch Landflucht. Wegen Wassermangels oder auch aufgrund von überhöhten Wasserpreisen haben viele Menschen keine Zukunft auf dem Land und ziehen in die Slums der neuen Mega-Cities. Weltweit gibt es 500.000 Städte, die 80 Prozent der Ressourcen beanspruchen. Für die Sicherstellung der Versorgung wird nicht nur Wasser benötigt, sondern muss Energie produziert werden. Nach Auffassung des Architekturprofessors Volker Hartkopf ist der zusätzliche Energiebedarf so hoch, dass „man jedes Jahr einen neuen Drei-Schluchten-Damm“ bräuchte.

Verstädterung in Zahlen, entnommen der Zeitschrift „Brand eins“

Zahl der in Manhattan lebenden Menschen pro Quadratkilometer: 13 400

Zahl der in der Altstadt von Mumbai lebenden Menschen pro Quadratkilometer: 570 000

Zahl der im Berliner Bezirk Mitte lebenden Menschen pro Quadratkilometer: 8165

Zahl der Menschen, um die die städtische Bevölkerung weltweit pro Tag wächst: 190 000

Zahl der Städte weltweit mit mehr als zehn Millionen Einwohnern im Jahr 1950: 1

Zahl der Städte weltweit mit mehr als zehn Millionen Einwohnern im Jahr 2000: 19

(Quelle: Brand eins)

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