Was die Pressefreiheit heute kostet: Journalistin erhebt Klage gegen den BND auf Aktenzugang

Unabhängige Journalistin klagt erneut vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen den BND auf Aktenzugang

Mehrere Gerichtsverfahren hat die Journalistin Gaby Weber bereits ins Rollen gebracht. Zurzeit läuft ein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht gegen das Bundesarchiv wegen Untätigkeit und ein weiteres beim Verwaltungsgericht Köln auf Akteneinsicht gegenüber dem Bundesamt für Verfassungsschutz. Sowohl bei diesen beiden laufenden Verfahren wie bei dem neuen Verfahren beim Verwaltungsgericht auf Aktenzugang beim BND geht es keineswegs um Anliegen, die einen Aktualitätsbezug aufweisen. Es geht um die Aufarbeitung der deutschen Geschichte – und auch hier wird von Amtswegen gemauert, und das obwohl nach dem Bundesarchivgesetz eigentlich das Aktenmaterial, das Gaby Weber einsehen möchte, offen gelegt werden müsste.

Gaby Weber pendelt zwischen Berlin und Buenos Aires. Ein Lebensschwerpunkt ihrer journalistischen Arbeit ist darauf ausgerichtet, Licht ins Dunkel der deutschen Nachkriegsgeschichte zu bringen, indem sie auch dem Werdegang deutscher Kriegsverbrecher wie Adolf Eichmann nachspürte, aber auch die Rolle und Verantwortung deutscher Unternehmen wie Mercedes in Argentinien aufdeckt. Ihren Recherchen und Dokumentationen ist es zu verdanken, dass beispielsweise durch erklagten Aktenzugang entscheidende Informationen zum Fall der „Entdeckung“ von Eichmann ans Tageslicht gekommen sind – Tatsachen, die von jüngeren Spielfilmen mit Dokumentarcharakter wie „Hannah Arendt“ oder den Film über den Staatsanwalt Fritz  Bauer „Im Labyrinth des Schweigens“ unberücksichtigt geblieben sind. Als besonders schwerwiegend muss die Falschinszenierung der Eichmann-Legende in dem Dokudrama des NDR “Eichmanns Ende – Liebe, Verrat, Tod” bezeichnet werden, was Gaby Weber in ihren jüngsten, auf Youtube eingestellten Medienanalyse DESINFORMATION – Ein Lehrstück über die erwünschte Geschichte“ herausarbeitet.

Auch wenn immer weniger Zeitzeugen zur Verfügung stehen, so beweisen die Arbeiten von Gaby Weber, dass die Aufarbeitung der deutschen Nachkriegsgeschichte in den Geheim-Archiven weitergeführt und veröffentlicht werden muss. Über diese besonderen Erschwernisse eines investigativen, unabhängigen Journalismus sprach Thomas Rudek mit Gaby Weber.

Rudek: Wie oft haben Sie bereits in Deutschland bereits den Rechtsweg beschreiten müssen, und Klage auf Akteneinsicht einreichen müssen? Und wie hoch fielen Ihre bisherigen Kosten aus, um Zugang zu historisch relevanten Informationen zu erhalten?

Weber: Die Klage, die ich 2008 gegen den BND wegen Akteneinsicht bezüglich Adolf Eichmann einreichte, war die Erste dieser Art. Die Anwälte, die mich vertreten haben, haben entweder gar kein Honorar verlangt oder ein Honorar, das mal gerade eben ihre Kopierkosten deckte. Aber das funktionierte nur, weil das ein Präzedenzfall war, der die sehr engagierten Anwälte selbst gereizt hat. Ich hatte natürlich die Gerichtskosten zu bezahlen und die Zeit, die ich selbst hineingesteckt habe. Vielleicht, über den Daumen, 10.000 Euro, aber wie gesagt, ein „normaler“ Fall einer Klage auf Akteneinsicht wäre viel teurer. Die Kosten für die BND-Eichmann-Akten habe ich selbst getragen. Das war mir nicht mehr möglich, als ich gegen das Bundesarchiv geklagt habe, da fielen an Gerichtskosten, gegnerischen Anwalt und meinen eigenen an die 8000 Euro an. Das kam sehr schnell zusammen, als Fefe in seinem Blog zu Spenden aufrief. Die Leute sind sehr solidarisch, wenn sie sehen, dass wirklich etwas passiert.

Rudek: Worum geht es bei der jetzigen Klage, die Ihr Anwalt Raphael Thomas beim Bundesverwaltungsgericht Leipzig eingereicht hat und wie hoch schätzen Sie Ihr persönliches Kostenrisiko?

Weber: Es geht jetzt um Einsicht in die Akten der Residenz des BND während der Militärdiktatur in Argentinien, als dort tausende Menschen gefoltert und ermordet wurden, auch zahlreiche Deutsche und Deutschstämmige. Der BND bestreitet nicht die Existenz – einen winzigen Teil konnte ich bereits in Pullach einsehen – meint aber, er als Geheimdienst dürfe solche Sachen nicht herausgeben, weil er auch seine Quellen schützen müsse. aber darum geht es gar nicht: natürlich kann der BND die Namen seiner Zuträger schwärzen, das muss er sogar, aber es geht hier um einen ganzen geschichtlichen Abschnitt und um einen Völkermord. Im Raum steht auch der Verdacht, dass der BND – und auch das BfV, das ich schon letztes Jahr auf Akteneinsicht verklagt habe – sich mitschuldig an diesen Morden gemacht haben. Zu den Kosten: Wenn wir alles zusammenrechnen, also Gerichtskosten, Kopierkosten, Anwaltskosten, Reisekosten etc. – werden sicher weit über 10.000 Euro zusammenkommen.

Rudek: Nach dem Bundesarchivgesetz müsste das von Ihnen angeforderte Aktenmaterial offengelegt werden. Mit welchen Tricks entziehen sich BND und BfV der Offenlegungspflicht?

Weber: Das BfV sagt: wir finden in unserem Archiv keine Akten oder Dokumente zu Argentinien! Oder mit anderen Worten: Das BfV-Archiv muss offensichtlich ein Saustall sein. Deshalb haben wir ja in Köln eine Inaugenscheinnahme des Archivs des Verfassungsschutzes beantragt. Beim BND ist es anders: Dort liegen ja, schön geordnet, die Berichte, Vermerke und Dokumente des damaligen Residenten, der mit Diplomatenstatus in der Deutschen Botschaft von Buenos Aires saß und engste Kontakte zu den argentinischen Geheimdiensten unterhielt, also zu den Folterern und Mörder, von denen wenigstens einige derzeit im Knast sitzen.

Rudek: Für unabhängige und freie Journalisten ist der Klageweg und das damit verbundene Kostenrisiko extrem hoch. Welche Vorschläge haben Sie, das Risiko zu minimieren?

Weber: Ich denke, dass inzwischen das Bewusstsein in der digitalen Gemeinde sehr gewachsen ist. Der CCC hat mich in sein Camp eingeladen und meinen Film „Desinformation“ gezeigt. Da haben wir auch über die anhängigen Prozesse geredet. Netzpolitik.org ist verfolgt worden und wird mir sicher bei den Prozessen helfen. Amnesty International werde ich ansprechen, die finden das sicher gut! Leider sind die politischen Parteien wenig aufgeschlossen. Auch von meinen Berufsverbänden und Historikern könnte mehr Unterstützung kommen.

Rudek: Gewiss sind die zivilgesellschaftliche Organisationen und Foren gute Verbreiterungsplattformen, aber können diese Organisationen auch Mittel in der von Ihnen genannten Organisationen auch eintreiben? Oder anders gefragt: Steht ein Journalist, der nicht über ausreichende Rücklagen verfügt, um Kosten für einen zeitintensiven Rechtsweg über alle Instanzen auslegen zu können, nicht von vornherein auf verlorenem Posten?

Weber: Hier muss gewiss einiges passieren, um recherchierenden Journalisten und Historikern zu helfen, nicht nur finanziell sondern auch politisch und publizistisch. Von den großen Medienbetrieben erwarte ich gar nichts, da die sich mit Verlautbarungen zufrieden geben, meine Bemühungen hat die ARD nicht nur nicht unterstützt sondern sogar noch behindert, indem sie sogar Geheimdienstmaterial veröffentlicht haben während sie gleichzeitig wussten, dass es nicht der Wahrheit entspricht – nachzusehen im Film „Desinformation“. Ich bin mir sicher, dass bei der digitalen Gemeinde, die sich ja über Spenden nicht beklagen kann, das Bewusstsein und die Bereitschaft, zu helfen, vorhanden ist.

Rudek: In Ihrem jüngsten auf youtube eingestellten Film „Desinformation – ein Lehrstück über die gewünschte Geschichte“ geht es erneut um die Inszenierung der Enttarnung von Eichmann, die in anderen zahlreichen Spielfilmen mit dokumentarischem Anspruch, selbst in dem preisgekrönten Spielfilm über Hannah Arendt, nachweislich von einer falschen Faktenlage ausgeht. Auch in diesem Kontext haben Sie sich den Zugang zu als geheim klassifizierten Dokumenten gerichtlich erklagen müssen, und dennoch sind Sie als historische Beraterin bei den Dokumentarfilmen nicht konsultiert worden und die programmverantwortlichen Redakteure des öffentlich-rechtlichen Fernsehens weigern sich, ihre Filme auszustrahlen. Wie erklären sie sich, dass sie als eine der wenigen Journalisten, deren Recherchen auf geheim gehaltenes Aktenmaterial basiert, so ein schweres Standing haben?

Weber: Weil es leider in Deutschland keine Tradition des investigativen Journalismus gibt. Diese Recherchen sind teuer und die Sender, die vor Geld strotzen, tendieren zunehmend zur Hofberichterstattung. Viele von den wenigen Redakteuren, die sich dort noch solchen Themen angenommen hatten, gehen jetzt in den Ruhestand. Und das Aufnehmen kritischer Themen, die der herrschenden Berichterstattung widersprechen, fördert nicht die eigene Karriere. Dafür braucht man Rückgrat.

Rudek: Sollte es eine institutionalisierte „Wahrheitskommission“ geben, die Dokumentarfilme und Spielfilme mit dokumentarischem Anspruch vor ihrer Veröffentlichung auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft?

Weber: Zumindest sollte es in den Häusern ARD und ZDF einen Ansprechpartner geben, der ernste Vorwürfe prüft und diese auch öffentlich dokumentiert. Die Leute lesen immer weniger Bücher, da kommt eine ganz neue Verantwortung auf Fernsehen und Filmemacher zu.  Was im Moment passiert, ist schrecklich: Sie bringen nachweislich falsches Zeug, Geheimdienst-Enten und sitzen die Kritik einfach aus. Der NDR hat sich bis heute nicht entschuldigt und den Sachverhalt richtiggestellt. Das hat mit Journalismus, geschweige denn mit gutem Journalismus, nichts mehr zu tun.

Rudek: Vielen Dank für das Gespräch.

Berlin, d. 7.9.2015

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