Die älteste Post der Welt wird privatisiert
Börsengang der Royal Mail stößt auf großes Interesse
Von Jochen Spengler
„Nicht einmal die privatisierungsfreudige Maggie Thatcher wagte es seinerzeit, die Royal Mail zu verkaufen. Doch obwohl fast 70 Prozent der Briten dagegen sind, will die konservativ-liberale Regierung 60 Prozent der britischen Post in Privatbesitz überführen…
… Was schlecht ist für die Postler, muss nicht schlecht sein für den Steuerzahler. Doch auch der dürfte ein Minusgeschäft machen. Schließlich hat die Regierung die Royal Mail erst einmal verkaufsfein herrichten müssen. Dazu hat sie die Pensionslasten von zehn Milliarden Pfund dem Steuerzahler aufgebürdet. Die Einnahmen auf den Verkauf der Post werden aber nur auf rund 3,3 Milliarden geschätzt.
Offen ist schließlich, ob wenigstens die Kunden glücklich werden mit der Privatisierung. Mario Dunn bezweifelt das – er leitet die Anti-Privatisierungsinitiative „Rettet die Royal Mail“ und verweist darauf, dass die Firma im letzten Jahr 440 Millionen Pfund Gewinn gemacht hat …
…Der Staat will vorerst 30 Prozent der Unternehmensanteile behalten; zehn Prozent sind für die Postler vorgesehen. Um die 60 Prozent, die privaten und institutionellen Investoren zugeteilt werden, brach eine regelrechte Stampede aus. „A good idea, companies should be run by the private sector. Probably a good investment. A good idea.“
Es gab insgesamt Kaufinteresse im Wert von 15 Milliarden Pfund. Wirtschaftsminister Cable:
„Wir hatten etwa 700.000 Anträge; das ist eine siebenfache Überzeichnung. Es gab großes Interesse und es zeigt, dass unser Ausgabepreis nicht zu hoch war.“
Wahrscheinlich ist sogar, dass er mit 3,30 Pfund pro Aktie zu niedrig lag. Auf dem grauen Markt wird das Papier bereits mit vier Pfund gehandelt. Angesichts ihres lukrativen Grundbesitzes und des Millionengewinns, den die Royal Mail im letzten Jahr gemacht hat, wird der Wirtschaftsminister kritisiert, er verscherbele das Unternehmen 80 Prozent unter Wert.
Es sehe immer stärker nach einer verpfuschten Privatisierung aus, sagt Chuka Umunna, Wirtschaftexperte der Labour-Opposition. Und so wird es zumindest einen zweifelsfreien Gewinner der Privatisierung geben: Jene Investoren, die heute zum Zuge kommen; die Regierung versichert, sie wolle vorrangig Kleinanleger bedienen. Sie können sich womöglich schon heute Abend über einen erheblichen Kursanstieg freuen.“
11.10.2013 · 17:05 Uhr
Royal-Mail-Aktien starten mit Kursfeuerwerk
Gewerkschaften kritisieren, das Unternehmen werde weit unter Wert privatisiert
Von Jochen Spengler
330 Pence hat die Aktie gekostet, 450 Pence war die erste Notierung: Ein Plus von mehr als 30 Prozent, das die Royal Mail bei ihrem Börsen-Debüt erlebte. Nun muss die Regierung den niedrigen Ausgabepreis gegen Kritik der Gewerkschaften verteidigen…
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