Das Meer leuchtet
Ein warmer, stiller Augustabend hat uns auf die Sandbank gelockt. Leise rollen die Wellen an den Strand. Je dunkler es wird, um so seltsamer erscheint uns das auflaufende Wasser. Es sieht an den Aufprallstellen wie mondbeglänzt aus, obwohl kein Mond scheint. Schlagen wir mit einem Stock ins Wasser, blitzt es auf, und die abrollenden Tropfen glänzen wie Silber. Noch schöner wird diese Erscheinung, wenn wir mit den Füßen im Wasser plätschern oder wenn ein Boot erscheint. Vor dem Bug glänzt das Wasser, und von den Rudern fallen leuchtende Tropfen. Ganz wunderbar wird es, wenn man schwimmt. Alle bewegten Körperteile erscheinen wie in Mondlicht getaucht, sind von grünlich-silbernem Licht umgeben. Nur da, wo es aufgerührt wird, leuchtet das Wasser. — Wie entsteht nun das Meeresleuchten, das nur in Küstennähe vorkommt?
Winzige Tiere sind es, deren Körper das Licht ausstrahlen, aber nur, wenn sie durch bewegtes Wasser „gereizt“ werden. Vor allem ist es ein bläschenförmiger Einzeller mit einer winzigen Geißel und einem längeren Tentakel, das „Meeresleuchttierchen“ (Noctiluco-Nachtleuchte). Für ein mikroskopisch kleines Tier ist es verhältnismäßig groß, etwa 1/2 – 1 mm, also mit bloßem Auge sogar zu sehen. Mit feinen Fetttröpfchen im Innern seines zarten Leibes „schwebt“ es im Wasser, gehört also zum Plankton, dem „Geschwebe“. Mit einem Planktonnetz aus feinster, sog. Müller-Seide (60 Maschen pro qmm), fischen wir das „Geschwebe“ aus dem Wasser heraus. Durch wiederholtes Sieben können wir den Inhalt von 10 oder 20 l Meerwasser in einem kleinen Röhrchen zusammendrängen und mit bloßem Auge, Lupe oder Mikroskop untersuchen. Man hat festgestellt, daß die Ursache des Leuchtens ein von dem Tierchen erzeugter „Leuchtstoff“ ist, der durch den Luftsauerstoff mit Hilfe eines „Vermittlers“ (Ferments) chemisch verändert (oxydiert, genauer dehydriert) wird. Bei diesem chemischen Vorgang wird Energie frei, die in Form von Lichtstrahlen auftritt. Dieses „kalte Licht“ interessiert die Techniker sehr. Sie würden es auch gern erzeugen können. Denn bei Noctiluca wird fast die gesamte aufgewandte Energie (über 80%) in Licht verwandelt, während bei unsern Glühbirnen nur 3-4% der zugeführten Energie in licht umgewandelt werden. 96-97 % gehen als Wärme verloren. Selbst bei unsern modernen Leuchtstoffröhren wird die Energie nur bis zu 10% ausgenutzt. — Nun zurück zum Strand. Also ungeheure Mengen der Noctiluca müssen sich an der Wasseroberfläche befinden, wenn das Meer leuchten soll. Es ist schwer vorauszusagen, ob das Meeresleuchten „heute“ eintreten wird. Meist ist ein warmer Tag Voraussetzung. Im August tritt es mit ziemlicher Sicherheit in St. Peter auf, aber auch im Winter und im Frühsommer ist es beobachtet worden.
Wenn wir uns von unserm „Leuchtbad“ ein Glasgefäß voll Meerwasser*) mit nach Haus nehmen, können wir unsern Freunden oder Kindern im Bett das Meeresleuchten im dunklen Zimmer vorführen, wenn wir das Gefäß schütteln, Besonders hübsch ist es, wenn sich ein paar Krebschen mitgefangen haben, die beim Umherschwimmen an die Leuchrtierchen stoßen und ihren Weg als „Funkenstrecke“ markieren. Auch der nasse Badeanzug leuchtet beim Auswringen! So ist das Meeresleuchten ein einzigartiges Erlebnis, und nicht nur beim ersten Mal.
*) am schönsten natürlich bei „Anreicherung“ mit Planktonnetz.
**) Dr. Oskar Haffer: Führer durch Landschaft, Tier- und Pflanzenwelt von St. Peter-Ording. Garding : Lühr & Dircks 1956. 47 S