Eine gelungene Reportage, die den Teufelskreis aufzeigt, wenn Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung nicht als geschlossenes System betrachtet werden.
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„Die Farbe ihrer Wohnungswände konnte sie sich aussuchen, sagt Sara Valadez, aber gegen das braune Leitungswasser ist sie machtlos. Sauberes Wasser gab es nie in ihrem Viertel, Ixtapalapa, in Mexiko-Stadt. „Wir bekommen Ausschläge von dem Wasser, die Ärzte kommen oft nicht darauf, dass es vom Wasser kommt. Sie sagen, es ist der Staub oder irgendwas anderes. Aber es ist unser Wasser.“
Die Putzfrau hat eine Dreizimmerwohnung, beide Kinder haben Arbeit. Ixtapalapa ist kein Armenviertel. Trotzdem ist das Wasser so schlecht, dass sie zum Kaffeekochen teures Flaschenwasser benutzt. Mit den Nachbarn hat sie schon viele Briefe geschrieben und besseres Wasser gefordert, aber das kommt nur in die Viertel der Reichen. „Wenn die Leute das schlechte Wasser für ihren Kaffee benutzen, sieht man einen Schmutzrand oben an der Tasse. Viele Nachbarn können sich kein Flaschenwasser leisten. Die müssen das Leitungswasser trinken“, erzählt Sara Valadez.
Mexiko Stadt: Erbaut auf einem See
Die Atzteken erbauten Mexiko Stadt Mitte des vorigen Jahrtausends auf einem See und nannten sie Tenotchtitlan nannten. Schon damals sollen 100.000 Menschen hier gelebt haben. Wer würde denken, dass an dieser Stelle mal das Wasser knapp wird? Heute kann man die Einwohnerzahl nur schätzen, rund 22 Millionen sollen es sein. Und jeder Einzelne verbraucht mit 300 Litern am Tag mehr als doppelt so viel Wasser wie wir Deutschen.
Ein Teil dieses Wassers kommt aus dem Umland und fehlt dann natürlich dort. Es fließt durch Stauseen und Flüsse, um schließlich durch enorme Rohre in die Mega-Stadt gepumpt zu werden.
Für den Biologen Sergio López ist aber eine andere Wasserquelle das größere Problem. „Der Rest des Wasserbedarfs, nämlich 80 Prozent kommen aus den natürlichen Grundwasser-Reservoirs tief unter der Stadt. Diese Brunnen holen Wasser mittlerweile aus enormen Tiefen, um die Stadt zu versorgen.“ Sicher eingezäunt, stehen fast 3.000 dieser Tiefbrunnen über das Tal von Mexiko verteilt. Sie legen den ehemaligen Seegrund komplett trocken. An vielen Stellen muss 400 Meter tief gebohrt werden, um auf Grundwasser zu stoßen.
Und die Entwässerung macht der Stadt zu schaffen: Einzelne Häuser, ganze Straßen und sogar Stadtviertel sinken ab, an manchen Stellen einen halben Meter im Jahr.
Vorräte noch für 40 Jahre?
Rettende Ideen sind Mangelware in der Wasserbehörde, schließlich reicht das Wasser angeblich noch 40 Jahre. „Im Moment haben wir eigentlich kein Wasserproblem, aber so wie jetzt können wir nicht weitermachen. Es muss sich viel ändern. Es gibt Wasservorkommen noch viel tiefer unter der Stadt, doch um da ranzukommen, müssen wir in den nächsten 20 Jahren doppelt so viel investieren wie bisher“, Aguirre Diaz, Generaldirektor der Wasserversorgung.
Wasserlieferung in Tankwagen
Jeden Tag kommen 10 bis 15 Pipas – Tankwagen mit der braunen Brühe – zum Wohnblock von Sara Valadez. Zwar liegen hier auch Rohrleitungen im Boden, aber die sind völlig marode. Ein Drittel des Trinkwassers versickert durch die undichten Rohre. Deshalb sind viele Viertel auf das dreckige Wasser aus den Pipas angewiesen.
So schwierig es ist, sauberes Wasser in die Stadt rein zu kriegen, so viele Probleme macht das Abwasser, wenn es wieder raus muss. Die wenigen Kläranlagen schaffen nicht einmal zehn Prozent des Abwassers der Privathaushalte – Industriewässer sowieso nicht. Fast das gesamte Abwasser fließt ungeklärt durch ein Rohr, neun Meter im Durchmesser, bis vor die Stadt. 170 Kubikmeter pro Sekunde des Agua negra – des schwarzen Wassers – strömen hier ins Freie, fließen dann 300 Kilometer offen durch die Natur, bis in den Ozean.
Dort im Salzwasser ist es für den Wasserkreislauf der Riesenstadt verloren, nachdem es nur ein einziges Mal genutzt wurde. „Solange die Regierung eine Politik verfolgt, die das Stadtleben attraktiv und das Landleben schwer macht, ziehen die Leute in Massen in die Stadt. Solange die Stadt weiter wächst, wird keine Regierung die technischen und finanziellen Mittel haben, den Wasserbedarf zu decken, erklärt Biolog Sergio López Mejía.
Verseuchtes Gemüse auf den Märkten
Bildunterschrift: ] Xocimilco ist eine grüne Lunge mitten in der Stadt. Seit hunderten Jahren bauen in diesem Kanalsystem Bauern ganz traditionell Gemüse an. Keiner der Kanäle würde heute noch Wasser führen, wenn nicht das Abwasser aus der Kläranlage eingeleitet würde.
„Jetzt in der Regenzeit“, sagt Alejandro Godoy, „sieht alles schön grün aus. In der Trockenzeit, reicht das Wasser nicht zum Bewässern der Pflanzen. Und nur mit Abwasser zu gießen ist zwar guter Dünger, aber zu viel davon macht diejenigen krank, die es essen. Früher gab es in Xocimilco Quellwasser. Weil es jetzt Abwasser aus der Kläranlage ist, können wir unsere Ware nicht mehr überall verkaufen. Märkte oder Restaurants, die darauf achten, dass die Pflanzen nicht kontaminiert sind, nehmen uns schon lange nichts mehr ab.“
Nur die kleinen Märkte in Vierteln wie Ixtapalapa verkaufen das Abwassergemüse weiter. Und die kleinen Leute wie Sara Valadez bekommen das Wasserproblem der Stadt gleich doppelt zu spüren. Erst durch braunes Leitungswasser, dann durch verseuchtes Gemüse.
Mexiko-Stadt ist nur ein Beispiel für die enormen Wasserprobleme die weltweit drohen. Einige Mexikaner haben uns die Dinge einfach aufgezählt, die sich bei ihnen ändern müssten: weniger verbrauchen, Kläranlagen bauen, Regen auffangen, bessere Leitungen legen und Wasser mehrfach verwenden. Doch obwohl die Ideen da sind, ist geplant, genauso weiterzumachen wie bisher. Noch ungefähr 40 Jahre, dann wird es hier kein Wasser mehr geben.“