BERLINER MORGENPOST (11.7.2012): Politisch fataler Abwehrkampf / Leitartikel von Joachim Fahrun

Eine lesenwerte Bestandsanalyse liefert Joachim Fahrun von der Berliner Morgenpost

Politisch fataler Abwehrkampf / Leitartikel von Joachim Fahrun

Berlin (ots) – Die Berliner Wasserbetriebe haben es schwer. Der Gewittersommer verhagelt ihnen in diesem Jahr das Geschäft, weil weniger Menschen ihren Rasen wässern müssen und dreimal tägliches Duschen auch nicht nötig ist. Zudem verliert das Unternehmen einen Rechtsstreit nach dem nächsten. Jetzt haben die Oberverwaltungsrichter in Münster die Verteidigungslinie beendet, hinter der sich die Manager der Berliner Wasserbetriebe (BWB) und ihre teuren Anwälte seit Jahren verschanzt hatten: dass nämlich allein das Landesrecht in Berlin für die Tarife zuständig sei. Und irgendwelche anderen Behörden, gar das Bundeskartellamt, hätten kein Recht zu überprüfen, warum die Berliner Bürger so viel für ihr Wasser bezahlen müssen. Dass diese Preise zu hoch liegen, das meinen nicht nur die Wirtschaft, die Bürger und die meisten Berliner Politiker. Das Kartellamt hat nach längerer Prüfung missbräuchlich überhöhte Preise festgestellt und eine Senkung verfügt. Womöglich sollen die Bürger sogar Geld zurückbekommen für das, was sie seit 2009 zu viel bezahlt haben. Dass die Wasserbetriebe, die zu 50,1 Prozent dem Land Berlin gehören, von ihren Gesellschaftern in einen verlustreichen Abwehrkampf gegen niedrigere Wasserpreise getrieben werden, ist befremdlich. Schließlich hat die CDU, die nun mit Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz (parteilos) die BWB-Aufsichtsratschefin stellt, am lautesten verlangt, dass die Wasserpreise sinken müssen. Bei aller Berechtigung, eine kartellrechtliche Grundsatzfrage vor Gericht klären zu lassen, ist das Vorgehen des Senats nicht vermittelbar. Es wird Zeit, eine Wasserpolitik in Berlin überhaupt einmal zu formulieren und nicht nur die Kassen des Finanzsenators zu füllen. Dazu wäre es hilfreich, den RWE-Konzern wie geplant aus den Wasserbetrieben herauszukaufen und mit Veolia entweder die Konsortialverträge zu verändern oder auch deren Anteil an den Wasserbetrieben zu übernehmen. Dann wäre endlich wieder die Politik am Zuge und könnte sich nicht mehr hinter mehr oder weniger geheimnisvollen Deals mit den privaten Anteilseignern verstecken. Wenn das Abgeordnetenhaus das so entscheidet, dürften die Wasserbetriebe sogar ein hohes Grundwasserentnahmeentgelt ans Land bezahlen, mit dem der Senat endlich etwas gegen die nassen Keller in vielen Stadtteilen tun könnte. Die Berliner verlangen eine Preissenkung, und es wäre angemessen, den Argumenten des Bundeskartellamtes zu folgen. Denn anderswo ist das Wasser eben deutlich günstiger. Dabei muss allen klar sein, dass niedrigere Gewinne der Berliner Wasserbetriebe auch weniger Geld im Landeshaushalt bedeuten. Rot-Schwarz sollte sich ehrlich machen: Eine Umsatzrendite der BWB von fast 30 Prozent darf es nicht länger geben. Überzogene Monopolgewinne eines Wasserversorgers, von dem sich niemand abklemmen kann, sollten nicht zur Haushaltssanierung herangezogen werden, wie das jahrelang schlechter Brauch war.

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