Berlin, d. 5.7.2012. Ob es das mangelnde Gespür ist oder doch eine deutliche Zeichensetzung, welche die Abendschau-Redaktion ihren Zuschauern vermitteln will? Niemand kann leugnen, dass die Themen der Daseinsvorsorge und der Kritik an der Privatisierung immer stärker in den Blickpunkt der Bevölkerung geraten. Das ist jedoch nicht der Verdienst der Medien, sondern der des gewonnenen Wasser-Volksentscheids, wie der Erfolg der beiden anderen laufenden Volksbegehren des S-Bahn-Tisches und des Energietisches. Erst kürzlich hat der Energietisch die erste Stufe des Volksbegehrens (Antrag auf Zulassung) mit Erfolg zu Ende führen können. An diesem Interesse der Bevölkerung kommen auch die Medien nicht vorbei.
Allerdings ist es doch sehr bezeichnend, wie die Abendschau ihrer Berichtspflicht nachkommt und welche Gesprächspartner die Abendschau der Bevölkerung zur allerbesten Sendezeit vorsetzt. Von Jobst Siedler, einem Privatisierungsbefürworter und Lehrer an einer privaten Berliner Hochschule, war nichts anderes zu erwarten als die üblichen neoliberalen Vorbehalte. Doch das Fiedler im Widerkäuen neoliberaler Plattitüden auch noch flankierende Schützenhilfe von seiner Gesprächspartnerin erhielt, indem diese auf die teuren Wasserpreise in Potsdam verwies, sprengte dann doch den Rahmen des Zumutbaren. Zum einen wurde durch die Einbeziehung Potsdams fälschlicherweise suggierert, dass die hohen Wassergebühren in Potsdam mit der Rekommunalisierung zusammenhängen. Das ist falsch, denn die hohen Wasserpreise hängen mit den Kosten der Teilprivatisierung zusammen. Faktisch sind durch den Einstieg des privaten Investors in Potsdam keine öffentliche Einnahmen erzielt worden, sondern nur erhöhte Ausgaben. Diese zahlen die Potsdamer noch heute und in den nächsten Jahren ab.
Doch schwerwiegender wiegt die Unterschlagung der Frage, was die Zukunft bringt, wenn alles so bleibt, wie es ist, und keine Anstrengungen unternommen werden, den Fehler von einst zu korrigieren. Wenn die Daseinsvorsorge unter die Räder der Privaten kommt, dann wollen diese vor allem satte Gewinne raus holen. Hierfür werden alle Rechentricks zum Einsatz gebracht. Die angeblichen Effizienzvorteile erschöpfen sich häufig auf den Personalabbau. Dass diese sogenannten Externalisierungskosten (mehr Erwerbslose und Frührentner) wiederum die Sozialhaushalte stärker belasten, wird gekonnt von den „Effizenzexperten“ der Privatisierungslobby ausgeblendet.
Auch wurde in dem Gespräch peinlich genau darauf geachtet, dass der Faktor der Gewinnerwirtschaftung und zukünftigen Preisentwicklung mit keinem Wort erwähnt wird. Gerade im Fall der zukünftigen Gewinnausschüttungen an die privaten Anteilseignern der Berliner Wasserbetriebe ist diese Blindheit nicht nachzuvollziehen, da der Senat die Zahlen seiner Prognose auf den Tisch gelegt hat: Zwischen 2012 und 2028 würden Gewinne in Höhe von über 1,8 Mrd. € an RWE und Veolia ausgeschüttet werden! Geld, das zusätzlich zu den normalen Betriebskosten und zu den Gewinnerzielungsabsichten des Landes, in die Taschen der Privaten fließen würde und das nicht nur den Berlinern fehlt, sondern auch den Gewerbetreibenden.
Doch wie Eingangs bemerkt: Es ging in diesem Gespräch weder um Aufklärung noch um die Darlegung sachlich fundierter Bedenken, es ging um die Pflege alten Brauchtums: Das hohe Lied auf das freie Unternehmertum in einer Stadt, die einst geteilt war. Doch allen Ernstes: Ob das Festhalten an alt-ausgedienten ideologischen Klischees hilfreich ist, wenn es um die zukünftigen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Herausforderungen unserer Hauptstadt geht? Gewiss brauchen wir auch in der Daseinsvorsorge moderene, leistungsstarke Unternehmen. Die Privaten haben ihre Chance gehabt und diese leider nicht genutzt, um die Bevölkerung zu überzeugen, dass sie die Daseinsvorsorge besser managen können. Höchste Zeit für einen Systemwechsel in der Daeinsvorsorge und vor allem in der Wasserversorgung, einem natürlichen Monopol.
Thomas Rudek
Flankierende Schützenhilfe für Fiedler (Link zum Tonmitschnitt aus dem Gespräch in der Abenschau – Auszug)
Zum Abendschau-Beitrag „Energienetze in der Diskussion“ mit anschließendem Interview mit Fiedler (LINK)
Artikel in der ZEIT über Fiedlers Beratertätigkeit