6 Jahre besteht das Bundesinformationsfreiheitsgesetz. Alle 2 Jahre legt Peter Schaar, Bundesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit seinen Tätigkeitsbericht vor. Auch wenn immer mehr Bürger versuchen, sich Zugang zu Regierungsakten zu verschaffen, so weist die politische Kultur in deutschen Amtsstuben nach wie vor erhebliche Transparenzdefizite auf.
Papier ist geduldig. Das gilt auch für bedrucktes, selbst wenn es sich bei dem Inhalt um rechtskräftig verabschiedete Gesetze handelt. Denn zwischen dem Gesetzestext und der Rechtspraxis bzw. Rechtsanwendung eines Gesetzes bestehen häufig gewaltige Diskrepanzen. Die Informationsfreiheit ist ein relativ junges Thema und regelt die Frage, ob die Bürger zu den Akten der Verwaltung und Ministerien Zugang erhalten sollen, oder ob es trifftige Gründe gibt, den Bürgern diesen Zugang zu verweigern. Einzelne Bundesländer haben sich dieses Themas schon seit längerer Zeit angenommen und diese Frage auf Landesebene durch Informationsfreiheitsgesetze (IFG) geregelt. Auf Bundesebene gibt es das Bundesinformationsfreiheitsgesetz seit 6 Jahren. Der Hüter und Wächter ist der Bundesbeauftragte für Datenschutz UND Informationsfreiheit, vertreten durch den Volkswirt Peter Schaar, der kürzlich seinen dritten Tätigkeitsbericht vorstellte (s.u.).
Unterzieht man die landesgesetzlichen Regelungen einem Ranking so erscheint der Eindruck, dass Berlin und Bremen die fortschrittlichsten Informationsfreiheitsgesetze im Angebot haben. Doch dieser Eindruck täuscht. Das Berliner IFG ist von der damaligen rot-roten Landesregierung während des Volksbegehrens zur Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge der Berliner Wasserbetriebe novelliert worden und sollte dem Volksbegehren den Wind aus den Segeln nehmen. Entsprechend stiefmütterlich behandelt selbst das Abgeordnetenhaus das Gesetz. Im Rahmen von Vorgesprächen zur Novellierung des IFG gelang es dem Vorstandsvorsitzenden der Verbraucherzentrale Berlin, Prof. Jürgen Keßler, die Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse der Bevölkerung und dem Vertrauensschutz (Betriebs- und Geschäfstgeheimnisse) privater Unternehmen zugunsten des öffentlichen Interessen in jenen Fällen durchzusetzen, in denen sich das Unternehmen im Bereich eines öffentlichen Monopols betätigt. Doch statt diesen rechtspolitischen Meilenstein zu nutzen, wird die Geheimniskrämerei im Abgeordnetenhaus fortgesetzt. Trotz IFG und Volksgesetz wollen sich die Abgeordneten nicht durchringen und den Vertrauensschutz von Dokumenten der Exekutive aufheben!
Die Wasserbürger haben gemeinsamt mit dem VDGN, dem Bund der Steuerzahler und der GRÜNEN LIGA Berlin diesen Skandal gegenüber dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses vor einem Monat zur Anzeige gebracht. Jetzt liegt die Antwort des Präsidenten vor, die wenig befriedigend ist: Der Vorsitzende des Sonderausschusses soll sich an die aktenführende Stelle wenden, die den Vertrauensschutz des Dokuments veranlasst hat und sich darum bemühen, den Vertrauensschutz aufzuheben.
Diese Regelung kann nicht zufrieden stellen, weil nicht geklärt ist:
a) in welchem Zeitrahmen die Abklärung zu erfolgen hat;
b) wie dem gesetzlichen Prüfauftrag unter der Wahrung der Öffentlichkeit entsprochen werden kann, sollte die amtsführende Stelle nicht bereit sein, den Vertrauensschutz aufzuheben;
c) wie und in welcher Form die Öffentlichkeit über ein mögliches Negativ-Ergebnis informiert und in Kenntnis gesetzt wird.
Wenn selbst der Gesetzgeber kein Interesse hat, eigene Gesetze konsequent anzuwenden, sondern Anlagen der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses eine höhere Priorität einräumt als der gesetzlich verankerten Offenlegungspflcht, dann sind es die gewählten Repräsentanten, die den demokratischen Rechtsstaat selbst unterlaufen.
—————————————————————————————
Zum aktuellen Tätigkeitsbericht für die Jahre 2010 und 2011
Zur dlf-Kurz-Reportage von Gudula Geuther
Zum lesenswerten taz-Artikel „Wenn die Bürger wissen wollen“ von Karen Grass mit dem Hinweis auf das neue Portal www.fragdenstaat.de.
Das Berliner Informationsfreiheitsgesetz befindet sich auf der Homepage von Alexander Dix, dem Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit.