Wassersparen in einer wasserreichen Stadt
Anmerkungen zur Wasserbilanz der Berliner Wasserbetriebe
Berlin, 17.04.2011. Der Wasserverbrauch in Berlin ist weiter im Sinkflug. Dennoch konnten die Wasserbetriebe 2011 den Umsatzerlös in Höhe von 1.1943,7 Millionen Euro nahezu konstant halten. Allerdings verringerte sich der Bilanzgewinn im Vergleich zum Vorjahr um 10,8%. Nach Darstellung der Wasserbetriebe erhielten die Gesellschafter Gewinne von insgesamt 232,2 Millionen €“, wovon 124 Mio. € an die privaten Anteilseigner RWE und Veolia und 82,1 Millionen € an das Land Berlin ausgeschüttet wurden. Weitere zweckgebundene Abgaben wie das Grundwasserentnahme- und das Sondernutzungsentgelt sowie die Abwassergabe wurden in Höhe von 82,1 Millionen € an das Land abgeführt. Auch wenn sich im Vergleich zum Vorjahr die Gewinnabführungen an das Land Berlin um 10,8% und an die privaten Anteilseigner um 6,1% verringerten, so scheinen zumindest die privaten Anteilseigner ihre „Verluste“ durch die Möglichkeit der Nachkalkulation für die zukünftigen drei Geschäftsjahre in Höhe von insgesamt 56,5 Millionen € wieder wett machen zu können. Offen blieb, wie diese Nachkalkulation gegenfinanziert werden soll. Entsprechend konnten Preissteigerungen nicht ausgeschlossen werden.
Nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden der Berliner Wasserbetriebe, Jörg Simon, hätte eine bevorstehende Preissenkungsverfügung durch das Bundeskartellamt – unter der Voraussetzung der Rechtmäßigkeit des Verfahrens – für die Wasserbetriebe einen Umsatzverlust in Höhe von 70 Millionen € jährlich zur Folge. Bezogen auf den Gesamtumsatz des Geschäftsjahres 2011 wäre das ein Verlust von 5,8%. Simon betonte, dass das Bundeskartellamt nicht eine Senkung des Wasserpreises um 21% bzw. 20% verlange, sondern sich diese Forderung auf die „abgabenbereinigten Netto-Durchschnittserlöse pro Kubikmeter Wasser“ beziehe. Das entspräche einer jährlichen Entlastung von 15 € pro Person. Dieser äußerst geringe Entlastungseffekt erklärt sich aus der Tatsache, dass die oben genannten Abgaben (Grundwasserentnahmeentgelt u.a.) vom Bundeskartellamt herausgerechnet werden und auch der Abwassertarif nicht Gegenstand der kartellrechtlichen Preisregulierung ist.
Wenig überzeugend war der Versuch Simons, die Zuständigkeit des Bundeskartellamts mit dem Hinweis auf die Regulierung des Gesetzgebers in Frage zu stellen. Zentrale Grundlage der Tarifkalkulation schafft nicht der Berliner Gesetzgeber, sondern die Tarifkalkulation steht in der Erfüllungspflicht des Konsortialvertrags mit seinen Änderungsvereinbarungen und seinen verbrieften Gewinnausfallgarantien zugunsten der privaten Anteilseigner. Dieses Vertragskonstrukt zur Teilprivatisierung, das bislang keiner gerichtlichen Überprüfung zugeführt worden ist, bestimmt nicht nur, es schränkt die Handlungsspielräume des Gesetzgebers maßgeblich ein! Das wurde auf der 5. Sonderausschusssitzung des Abgeordnetenhauses erneut deutlich, als die zuständige Staatssekretärin auf die Frage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (Die LINKE) nach den Folgen einer Halbierung des Verordnungszinssatzes für die Berechnung des betriebsnotwendigen Kapitals antwortete, dass in diesem Fall das Land Berlin gegenüber den privaten Anteilseignern ausgleichspflichtig werden würde.
Unabhängig von der Frage, inwieweit diese Praxis ein Verstoß gegen das europäische Beihilferecht darstellt, so unterstreicht die verengte Darstellung von Jörg Simon wie wichtig es ist, die gerichtliche Überprüfung des Konsortialvertrags im Rahmen einer Organklage vor dem Verfassungsgericht nicht länger hinauszuzögern! Nach dem Volksentscheid hat sich ein Arbeitskreis unabhängiger Juristen gegründet, der in einem Leitfaden dezidiert aufgezeigt hat, was zu tun ist. Dieser Leitfaden ist allen Abgeordneten des Sonderausschusses zugestellt worden. Gesprächsbereit hat sich bisher einzig der Vertreter der Piraten-Fraktion gezeigt. Die Verweigerungshaltung der anderen Abgeordneten wiegt umso schwerer, da auch zwei Rechtsanwälte aus dem Arbeitskreis ihre Bereitschaft erklärt haben, kostenfrei für klagewillige Abgeordnete die Klageschrift zu erarbeiten und – wenn gewünscht – diese auch vor dem Verfassungsgericht zu vertreten. Der juristische Leitfaden zur Vertragsanfechtung mittels eines Organstreitverfahrens kann auf dem Portal www.wasserbuerger.de als PDF-Datei herunter geladen werden.
Insgesamt zeigte die Vorstellung der Wasserbilanz, dass die disproportionale Gewinnerverteilung zugunsten der privaten Minderheitseigner und zu Lasten des Landes Berlin als Mehrheitseigner auch 2011 fortgeschrieben wird. Eine Übersicht über die Entwicklung der disproportionalen Gewinnentwicklung seit der Teilprivatisierung stellen die Wasserbürger hier zur Verfügung.
Thomas Rudek, Verfasser des Volksentscheids
Tel. 030 / 261 33 89