3.4., 7.20 Uhr, dlr: Gegen den Verfall der Kommunen v. Peter Döge

Gegen den Verfall der Kommunen

Die Schule der Demokratie muss erhalten werden

Von Peter Döge

„Straßen werden nur mehr notdürftig gerichtet, im Winter fällt der Streudienst aus, Hallenbäder verkommen – die Liste der Mängel der kommunalen Infrastruktur ließe sich unendlich fortschreiben. Wenn er über diesen desolaten Zustand nachdenkt, fragt sich der Politikwissenschaftler sofort, wie es eigentlich dazu kommen konnte.

In diesem Zusammenhang erweist es sich meines Erachtens als fatal, dass die Haupteinnahmequelle der Kommunen aus der Gewerbsteuer besteht und auf diese Weise ökonomisch verengte Politikstrategien geradezu erzwungen werden.

Wäre es da nicht viel besser, die Gewerbesteuer den Kommunen gänzlich zu streichen und die kommunalen Einnahmen an die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner – und dabei insbesondere an die Zahl von Familien mit Kindern – zu binden? Mit Sicherheit könnte auf diese Weise ein ganz anderer Wettbewerb in Gang gesetzt werden – nämlich ein Wettbewerb um lebenswerte Städte und Gemeinden…“

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Kommentar: Wegweisend sind die Links (Homepage zur Sendung) zu anderen Beiträgen / Reportagen zur Stärkung direkter Demokratie.
Neben der überfälligen Verankerung von Volksentscheiden auf Bundesebene sollten auch weitergehende Ansätze einer umfassenden Bürgerpartizipation offensiv vorangebracht werden. Warum sollten die Bürger nicht auch unmittelbar in haushaltspolitische Entscheidungen einbezogen werden. Bürgernahe Verfahren für Bürgerbeteiligungshaushalte zu entwickeln, ist genauso wichtig, wie die Verankerung von Anti-Privatisierungsreferenden, um die öffentliche Daseinsvorsorge vor dem Ausverkauf zum Schnäppchenpreis zu schützen. Was die geringen Wahlbeteiligungen betrifft, erhärtet sich der Eindruck, dass diese politisch gewollt sind – auch weil sie für die politisch Verantwortlichen, für die politischen Führungskräfte und Leistungsträger, mit keinen Folgen verbunden sind. Zwei Alternativen bieten sich an: Auf den ersten Blick sympathisch ist die Idee, die Höhe der Bezüge der politischen Führungskräfte an die Wahlbeteiligung zu koppeln. Denn wenn der IHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann höhere Bezüge für die Führungskräfte fordert, stellt sich die Frage, wie in einer Demokratie die Leistung gemessen wird. Was die wichtige Repräsentationsfunktion betrifft, ist die Wahlbeteiligung DER Parameter. Doch wichtiger als dieser populiste Ansatz erscheint ein in Deutschland weitgehender tabuisierter Vorschlag: Die Einführung der Wahlpflicht. Wenn die Demokratie nicht zur Farce verkommen soll, sondern als ein System verstanden wird, das nur funktionieren kann, wenn es seine Mitglieder auch zur Teilnahme verpflichtet, dann führt an der Einführung der Wahlpflicht kein Weg vorbei. Diese Verpflichtung beinhaltet auch die Möglichkeit, sich der Wahl zu verweigern, beispielsweise in der Form einen weißen Stimmzettel abzugeben. Doch diese Verweigerung, die der Schrifsteller und Nobelpresiträger Jose Saramago in seinem Roman „Die Stadt der Sehenden“ beschrieben hat, setzt eine Aktivität voraus – und es ist für das reduzierte Demokratieverständnis bezeichnend, dass die etablierten politischen Parteien von dieser „Aktivierung“ nichts wissen wollen.

Neben der politischen Aktivierung sind auch die fiskalpolitischen Rahmenbedingungen zu ändern, angefangen von der Kameralistik, der Privatisierung der Wirtschaftsprüfung von öfffentlichen Unternehmen, dem Wandel vom appelativen zum sanktionierenden Charakter der Berichte der Landesrechnungshöfe, der personellen wie technischen Unterausstattung der Finanzämter mit Betriebs- und Konzernprüfern…

Hierzu auch der Hinweis auf das Sachbuch des ehemaligen Steuerfahnders Frank Wehrheim, der auch am 31.3. im DeutschlandRadio Kultur im Gespräch war: Die große Gier – Volkssport Steuerhinterziehung?
Gast: Frank Wehrheim, Steuerberater und ehemaliger Steuerfahnder

und auch der Link zur Deutschen Steuergewerkschaft darf in diesem Zusammenhang nicht fehlen!

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