Ein akustisches Highlight vom dlf: Geschäfte auf dem Rücken der Armen – Neue Spieler im Rohstoffmonopoly, ausgestrahlt am 4. Febr.

Geschäfte auf dem Rücken der Armen

Neue Spieler im Rohstoffmonopoly

von Oliver Ramme

„…Das Spekulationskapital in diesem Bereich ist in den vergangenen zehn Jahren nahezu um das 40-fache gestiegen. Und dieses Kapital wächst Analysten zufolge jeden Monat um weitere fünf bis zehn Milliarden Dollar an. Ein Großteil dieser Wettgeschäfte bezieht sich auf Rohstoffe wie Metalle oder Erdöl. Ein Drittel aber – also rund 200 Milliarden Dollar – sollen in Fonds stecken, die auf Agrarrohstoffe wie Weizen, Reis oder Soja wetten…

…Gewettet wird bei den Fonds in der Regel auf steigende Preise. Hans Heinrich Bass hat in einer Studie für die Welthungerhilfe die Preisänderungen von Soja, Mais und Weizen untersucht…

Bass kommt unter anderem zu dem Ergebnis, dass im untersuchten Zeitraum 2007 bis 2009 die Spekulationen von Banken und Hedgefonds zu einer Preiserhöhung von 15 Prozent bei Mais oder Weizen geführt haben könnten. Eine konservative Berechnung. Studien der UNCTAD – der Organisation für Handel und Entwicklung der Vereinten Nationen, der Weltbank und zahlreicher Wirtschaftsforschungsinstitute sprechen von bis zu 50 Prozent…

…Profite der Banken auf Kosten der Armen: Wie gehen die Geldinstitute mit der Kritik um? Sie schweigen. Interviewanfragen bei GoldmanSachs, der Commerzbank, JP Morgan oder der Deutsche Bank blieben unbeantwortet. Keine der Banken war zu einem Gespräch bereit. Sie geben sich wortkarg, wenn es um Rohstoffspekulationen geht, und lassen die Schlagzeilen in ihren Hochglanzbroschüren sprechen. So warb 2008 die Deutsche Bank mit dem Slogan:

„Agrarrohstoffe: Begrenzt und begehrt.“

Im gleichen Jahr platzierte die Deutsch Bank auf Brötchentüten von Frankfurter Bäckereien die Frage:

„Freuen sie sich über steigende Preise?“

Die Landesbank Baden-Württemberg will …

„…Erträge ernten.“

… oder Allianz Global Investors preist den …

“ …Megatrend knappe Ressourcen … “

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Was an dem Feature von Oliver Ramme überzeugt, ist nicht nur die Bestandsaufnahme, sondern dass zugleich Wege angedeutet werden, wie zumindest der Spekulation Einnhalt geboten werden kann:

„…Doch es gab und gibt bis heute einen dritten Spieler auf dem Börsenparkett: der Spekulant, der mit seinen Wetten auf sinkende oder steigende Preise verdient. Der Spekulant bringt das Kapital mit ins Geschäft und sorgt außerdem für die Absicherung der Preise, für das so genannte „hedging“. Viele Jahrzehnte lang war die Zahl der Spekulanten relativ klein, das Geschäft blieb also überschaubar. Das aber änderte sich vor etwa zehn Jahren. Regeln, die sich über Jahrzehnte eingespielt hatten, wurden aufgeweicht, erklärt Thilo Bode von Foodwatch.

„Die Grundproblematik ist, dass man den Markt geöffnet hat, dass es die Limits für Spekulationen nicht mehr gibt. Das ist abgeschafft worden Anfang des Jahrtausends. Und dass man den Banken ermöglicht hat, diese Art von Spekulationen zu machen. Das gab es ja früher nicht. Sinnvolle Restriktionen noch von Präsident Roosevelt wurden einfach abgeschafft.“

Abgeschafft unter dem Postulat der Deregulierungen. Die mächtige Bankenlobby setzte zum Beispiel durch, dass Positionslimits – also eine Art Obergrenze an Futures pro Akteur – gekippt wurden. Damit können Banken unbegrenzt Futures kaufen. Also Verträge, die erst in Zukunft wirksam werden und leer, also ohne von real vorhandenen Rohstoffen gedeckt zu sein, gehandelt werden können. Die Deregulierung begann in den USA und erreichte wenig später auch Europa.

Die Immobilien- und Finanzkrise vor drei Jahren verschaffte den marktfremden Spekulationen einen weiteren Schub. Schließlich ist der Rohstoffmarkt verlockend, da er – im Gegensatz zu vielen anderen Märkte – stetiges Wachstum verspricht: Denn immer mehr Menschen auf der Welt brauchen immer mehr Rohstoffe. Für Computer, Handys, Autos – und Nahrung. Nur sind die neuen Marktteilnehmer, Banken, Investment- und Hedgefonds, nicht daran interessiert, eine Ladung Erdöl oder einen Frachter voll Weizen zu kaufen. Ihnen geht es nur um die Spekulation – nicht um den realen Wert der Rohstoffe. Es ist ein schwindelerregendes Geschäft. Ein Geschäft, in dem Computer mit ausgefeilten Algorithmen unvorstellbare Geldsummen hin- und herschieben. Und das im Millisekundentakt. Professor Hans Heinrich Bass, Ökonom an der Hochschule Bremen, hat sich mit dem hochkomplexen Handelssystem an den Rohstoffbörsen beschäftigt.

„Darüber gibt es jetzt einen weiteren Markt, das ist noch eine Stufe darüber, noch verdünnter. Dieser Markt ist für die Exchange Traded Commodities. Hier geht es um Finanzmarktanlagen, die sich auf Veränderungen auf dem Futuresmarkt beziehen. Darüber gibt es eine weitere Stufe: Die hochspekulativen Derivate, die beziehen sich auf Veränderungen auf den anderen Ebenen. Also wie verändert sich die Volatilität, also die Schwankung des Preises? Ab einer bestimmten Stufe geht es darum, die zukünftige Entwicklung zu prognostizieren. Oder noch einfacher gesagt: Es geht darum, Wetten abzuschließen und diese Wetten zu gewinnen.“

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