PM – Mehr Schein als Sein: Parlamentarischer Sonderausschuss soll Wasser-Verträge prüfen

Pressemitteilung
Berliner Wasser-Verträge
Mehr Schein als Sein: Parlamentarischer Sonderausschuss soll Verträge prüfen

Wasserbürger wie der Arbeitskreis unabhängiger Juristen haben geringe Erwartungen an den Sonderausschuss, den das Abgeordnetenhaus heute auf Antrag der Regierungsfraktionen einsetzen will, um jene Verträge, Beschlüsse und Nebenabreden, die im Zusammenhang mit der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe abgeschlossen worden sind, einer eingehenden öffentlichen Prüfung zu unterziehen. Dieses Verfahren ist im § 3 des Volksgesetzes vorgesehen.

Die Skepsis ist nicht darauf zurückzuführen, dass der Sonderausschuss für unabhängige Experten keine Finanzmittel bereit stellen will, sondern mit der Befürchtung, dass nur „handverlesene Experten“ hinzugezogen werden, die kein Interesse haben, juristische Wege aufzuzeigen, wie die Verträge zur Teilprivatisierung angefochten werden können. Außerdem „steht noch keinesfalls fest, ob wirklich alle Rechtsdokumente von Seiten des Senats offen gelegt sind“, so Juristin Sabine Finkenthei, die den Volksentscheid von Anfang an begleitet hat und den Arbeitskreis unabhängiger Juristen koordiniert. „Wir hatten dem ehemaligen Senator Wolf gemeinsam mit Transparency International Verfahrensvorschläge unterbreitet, die nicht zum Einsatz gekommen sind.“ Die Arbeit des Sonderausschusses, die ihre Tätigkeit gemäß § 3 des Volksgesetzes aufnehmen will, wäre jedoch erst dann sinnvoll, wenn rechtsverbindlich feststeht, dass wirklich alle Dokumente veröffentlicht worden sind.

Zielführend wäre es“, so Finkenthei, „wenn der Sonderausschuss die vom Arbeitskreis unabhängiger Juristen bereits erarbeitete Möglichkeit der Vertragsanfechtung im Rahmen einer Organklage in den Mittelpunkt seiner Prüfung stellen würde.“ Der Arbeitskreis unabhängiger Juristen hatte bereits im Sommer gemeinsam mit Transparency Deutschland e.V. und der Verbraucherzentrale Berlin bei der EU Kommission die Einleitung eines Prüfverfahrens beantragt. Nach der kritischen Prüfung unter europarechtlichen Gesichtspunkten hat der Arbeitskreis die bisher zugänglichen Dokumente auch unter verfassungs-, haushalts- und zivilrechtlichen Gesichtspunkten geprüft und seine Arbeitsergebnisse in Form eines Leitfadens publiziert. Das Ergebnis dieser Prüfung, an der sich mehrere promovierte Juristen aus unterschiedlichen Rechtsgebieten beteiligt haben: Der Vertrag kann vor dem Verfassungsgerichtshof im Rahmen einer Organklage angefochten werden. Klagebefugt sind die Berliner Abgeordneten. Die Aussichten, dass diese Klage zu einer Nichtigkeit der Verträge führen kann, bewertet der Arbeitskreis als aussichtsreich. Überzeugt von der Qualität und Stichhaltigkeit des juristischen Leitfadens haben auch zwei niedergelassene Rechtsanwälte in Berlin ihre Bereitschaft erklärt, die Klageschrift für ein Organstreitverfahren zu erarbeiten.

Für die Wasserbürger und den Verfasser des Volksgesetzes, Thomas Rudek, kommt es darauf an, welche Sachverständigen angehört werden. Bereits das Gefälligkeitsgutachten von Prof. Schwalbach, das von der IHK zur Rekommunalisierung im März in Auftrag gegeben worden ist, war wenig überzeugend. Der Gutachter Prof. Joachim Schwalbach wurde auch vor kurzem von der Atom-Lobby gebucht, um aus pseudowissenschaftlicher Perspektive Lobby-Interessen zu kaschieren. „Auch die bisherigen Experten, die die Grünen oder die LINKE hinzugezogen haben, haben keine weiterführenden Erkenntnisse geliefert. Das ist auch kein Wunder: Wer, wie Harald Wolf, die Kanzlei HengelerMüller beauftragt, deren ehemalige Teilhaberin Spießhofer bereits bei der Konstruktion der Teilprivatisierungsverträge maßgeblich mitgewirkt hat, der hat auch nicht das geringste Interesse an einer Vertragsanfechtung“, so Thomas Rudek. „An einer substanziell vorbereiteten Organklage führt kein Weg vorbei. Wenn die Abgeordneten die Organklage nicht unterstützen, dann bleibt als Ultima Ratio nur ein neues Volksbegehren, in dem die Bürger Berlins darüber bestimmten, wie viel bzw. wie wenig die Konzerne RWE und Veolia für ihre Anteile erhalten.“

Sabine Finkenthei* und Thomas Rudek**

* Koordinatorin des Arbeitskreises unabhängiger Juristin / Mitverfasserin des Leitfadens „Nichtigkeit der Berliner Wasserverträge und ihre Geltendmachung“ Kontakt: Tel.: 030 / 69 30 84 2 – Mobil: 0176 / 25 21 37 26 – e-mail: S.Finkenthei@gmx.de
** Sprecher und Verfasser des ersten gewonnen Volksentscheids in Berlin zur Offenlegung der Geheimverträge bei den teilprivatisierten Berliner Wasserbetrieben Kontakt: Tel.: 030 / 261 33 89 (AB) / ThRudek@gmx.de

Alle erwähnten Materialien (Leitfaden, Schreiben an die EU-Kommission befinden sich auf dem Portal www.wasserbuerger.de

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