Berliner Wasserverträge im rechtsfreien Raum sind nichtig – Abgeordnete in der Pflicht

Berliner Wasserverträge im rechtsfreien Raum sind nichtig –
Abgeordnete stehen in der Pflicht

Juristischer Argumentationsleitfaden beweist: Nichtigkeit der Verträge kann durch ein Organstreitverfahren vor dem Verfassungsgericht durchgesetzt werden.

Die Einladung zur Pressekonferenz bei der Verbraucherzentrale
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Zum Leitfaden des Arbeitskreises unabhängiger Juristen

Pressekonferenz versäumt? Kein Problem: Hier können Sie die Wortbeiträge nachhören. Sie können gerne die O-Töne auch für Radiosendungen verwenden. Selbstverständlich können Sie sich auch mit den Podiumsteilnehmern direkt in Verbindung setzen. Sie finden die Kontaktdaten in der Pressemappe!

Eröffnung Dr. Lischke (Verbraucherzentrale Berlin) – Begrüßung Thomas Rudek (Moderation / GRÜNE LIGA Berlin) – Beitrag aus der Sicht von Alexander Kraus (Vorsitzender Bund der Steuerzahler Berlin) – Vorschlag zur Neuordnung der Kalkulation der Wassertarife – Der Leitfaden1: Gespräch mit Sabine Finkenthei (Juristin, Koordinatorin des Arbeitskreises unabhängiger Juristen) – Der Leitfaden 2: Fortsetzung des Gesprächs Nachfragen 1Nachfragen 2Nachfragen 3

Nach dem ersten erfolgreichen Volksentscheid in Berlin fragen sich viele Berliner, was die Offenlegung der geheimen Wasserverträge gebracht hat. Unmittelbar nach dem Volksentscheid hat sich ein Arbeitskreis unabhängiger Juristen gebildet, der sich zum Ziel gesetzt hat, die Vertragsdokumente – soweit diese offen gelegt sind – kritisch zu prüfen, um Anhaltspunkte für eine juristische Vertragsanfechtung zu finden. Berliner Abgeordnete haben sich im Arbeitskreis nicht beteiligt.
Auf Anraten des EU- und Kartellrechtlers Prof. Jürgen Keßler, der auch Vorstandsvorsitzender der Verbraucherzentrale Berlin ist und den Volksentscheid als Vertrauensperson unterstützt hat, hat der Arbeitskreis zunächst die Verträge unter europarechtlichen Gesichtspunkten untersucht und Verstöße gegen das europäische Ausschreibungsrecht und gegen das europäische Beihilferecht festgestellt. Diese Rechtsverstöße wurden in enger Zusammenarbeit mit der Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland und der Verbraucherzentrale Berlin im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens bei der EU-Kommission zur Anzeige gebracht. Nach aktuellen Informationen ist die EU-Kommission mit der EInleitung einer Vorprüfung befasst.

Nach der europarechtlichen Prüfung hat der Arbeitskreis die Verträge jetzt einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterzogen. Im Rahmen dieser intensiven Prüfung wurde während der letzten Monate ein juristischer Leitfaden erarbeitet, in dem nachgewiesen wird, dass die Verträge gegen die Berliner Verfassung und insbesondere gegen das Haushaltsrecht (Budgetrecht) des Parlaments verstoßen. Im Mittelpunkt steht die haushaltsrechtliche Verfassungsnorm  des Art. 87 I VvB. Diese besagt, dass ohne gesetzliche Grundlagen keine Sicherheiten gewährleistet werden dürfen.

Wenn die Exekutive Sicherheiten wie in Form von einer Gewinnausfallgarantie des § 23.7 Konsortialvertrags vertraglich, aber ohne gesetzliche Grundlage, zusichert, dann ist das ein eklatanter Verstoß gegen das durch Art. 87 I VvB verfassungsrechtlich garantierte Budgetrecht des Parlaments. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass das Kalkulationsmodell des damaligen Teilprivatisierungsgesetzes durch ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs von Berlin infolge einer Normenkontrollklage für teilnichtig erklärt worden ist. Die in § 23.7 des Konsortialvertrags geregelte Gewinnausfallgarantie, die das für nichtig erklärte Kalkulationsmodell zur Grundlage hat, stellt  eine schwerwiegende Missachtung der Kompetenzen des BerlVerfGH dar, da dessen Nichtigerklärung keine Wirkung entfalten kann. Die bloße Billigung im Haushaltsplan stellt ebenso wenig eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung im Sinne von Art. 87 I VvB dar, wie die Zustimmung(spraxis) des Abgeordnetenhauses von Berlin zu den Verträgen mit den privaten Investoren.

Zu den Folgen: Das BGB stellt in §134 fest, dass Rechtsgeschäfte, die gegen gesetzliche Verbote verstoßen, nichtig sind. Da § 23.7 des Konsortialvertrags Bedingungen und Umfang der Gewinnerzielung der Investoren regelt, stellt diese Klausel den Hauptzweck des Vertrags dar, so dass die Nichtigkeit dieser Regelung die Gesamtnichtigkeit des Gesamtvertrages nach sich zieht. Die Umstände der Vertragsschließung und -anpassung zeigen deutlich, dass für die Investoren der Vertrag mit der Sicherheitsleistung nach § 23.7 des Konsortialvertrags stand und fiel. Es liegt auf der Hand, dass die dort getroffene Regelung ein zentraler Faktor für die Kaufentscheidung der Anteile an den Berliner Wasserbetrieben war.

Um die Gesamtnichtigkeit des Vertrages verfahrenstechnisch durchzusetzen, müßte von Seiten des Abgeordnetenhauses eine konkrete Aufforderung an den Senat gerichtet werden, die Verträge wegen Verstoßes gegen Art. 87 I VvB für nichtig erklären zu lassen. Wird der Senat daraufhin nicht tätig, könnten die Abgeordneten selbst im Rahmen eines fristgebundenen Organstreitverfahrens gegen den Verfassungsverstoß vor dem Verfassungsgerichtshof vorgehen.

Darüber hinaus zeigt der Leitfaden dezidiert auf, dass auch das vertraglich vereinbarte Schiedsverfahren gegen die Verfassung verstößt, das Land Berlin folglich nicht gehalten ist, Streitigkeiten vor einem unter Ausschluss parlamentarischer Kontrolle tagenden Schiedsgericht auszutragen. Der Senat wäre daher gut beraten, wenn er endlich die Vertragsverhandlungen mit den privaten Anteilseignern RWE und Veolia für gescheitert erklärt und er die Nichtigkeit der Verträge gerichtlich anstrebt. Es liegt im Ermessen eines jeden einzelnen Berliner Abgeordneten, diesen Schritt durch ein Organverfahren zu beschleunigen.

Der Arbeitskreis wird seine Arbeit fortsetzen. Erst kürzlich konnte ein weiterer Rechtsanwalt für die Mitarbeit gewonnen werden. Dem Arbeitskreis gehören Juristen unterschiedlicher Generationen an, erfahrene
Rechtsanwälte wie Wissenschaftler. Die meisten haben promoviert und sich auf ganz unterschiedliche Fachgebiete spezialisiert, so dass die Thematik aus einem sehr breiten fachspezifischen Spektrum heraus beurteilt werden kann.

Interessenten melden sich bitte bei der Koordinatorin des Arbeitskreises, der Juristin Sabine Finkenthei (Kontakt: S.Finkenthei@gmx.de / Tel.: 030 / 693 08 42 / mobil: 0176 / 25 21 37 26).

Die Wasserbürger bedanken sich bei dem Arbeitskreis der unabhängigen Juristen für die geleistete Arbeit und wünschen allen Mitwirkenden auch für die Zukunft zahlreiche Eingebungen, um die Verhältnisse zum besseren zu verändern. Auch bedanken wir uns ganz herzlich bei der Verbraucherzentrale Berlin wie dem Bund der Steuerzahler für die Unterstützung zur Pressekonferenz.

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