Wer „bremst“ die Prüfung der Wasserverträge?

Wer „bremst“ die Prüfung der Wasserverträge?

Berlin, 22.07.2011. Nach einem überwältigenden Medienecho auf die Pressekonferenz von Transparency International Deutschland und der Verbraucherzentrale Berlin meldete gestern die „Berliner Zeitung“ unter dem Titel „Brüssel bremst“, dass sich kein „ausreichend konkreter Tatbestand erkennen“ lasse und das „so genannte Beihilfeprüfverfahren… derzeit nicht eingeleitet werde“. Es geht um die Berliner Wasserverträge, genauer jene Rechtsdokumente, mit denen die Teilprivatisierung 1999 unter Dach und Fach gebracht wurde. Ob der Kursverlauf der Aktie von Veolia die Berliner Zeitung zu der einseitigen Berichterstattung veranlaßte, oder ob es lediglich das Berliner Beziehungsgeflecht ist, scheint von untergeordneter Bedeutung. Bedauerlich ist es, wenn ohne eine substanzielle Begründung Schnellschüsse abgefeuert werden, die auch auf die Qualität journalistischer Berichterstattung negativ ausstrahlen und der Seriösität der Berliner Zeitung nicht zuträglich sind.

Nach dem ersten erfolgreichen Volksentscheid in Berlin zur Offenlegung der damals geschlossenen Geheimverträge zwischen dem Senat und den Anteilseignern RWE und VEOLIA hat sich eine Arbeitsgruppe von 10 ehrenamtlichen Juristen an die Arbeit gemacht und die Verträge einer kritischen Prüfung unterzogen. Dieser Prozess, der in enger Abstimmung mit der Antikorruptionsorganisation „Transparency International Deutschland“ und der „Verbraucherzentrale Berlin“ erfolgt ist, hatte erste Arbeitsergebnisse zur Folge, die am Dienstag der Presse vorgestellt wurden. In einem an die EU-Kommission gerichteten Schreiben wurde substanziell dargelegt, dass die Verträge gegen geltendes europäisches Recht verstoßen. Zum anderen wurde von der Arbeitsgruppe unabhängiger Juristen angekündigt, dass weitere Schritte folgen werden. Auch verfassungs-, haushalts- wie zivilrechtliche Rechtsverstöße wie die sich daraus ergebenden verfahrensrechtlichen Konsequenzen zur Vertragsanfechtung sollen noch vor der Wahl der Berliner Öffentlichkeit vorgestellt und durch einen Verlag publiziert werden.

Der Artikel von Sebastian Höhn in der Berliner Zeitung überrascht insofern, da die Aufmachung durch den Titel wie den Untertitel („Wasserverträge: Keine Prüfung wegen illegaler Subventionen“) dem Artikel-Inhalt widerspricht und  die Leserschaft in die Irre führt. Den Sprecher der deutschen Vertretung der EU-Kommission, Carsten Lietz, zitierend, ist der Fall „noch nicht zu den Akten gelegt“. Auch werden mögliche Verstöße gegen das europäische Vergaberecht weiterhin geprüft. Nicht nachzuvollziehen in dem Artikel ist die unterschiedliche Bewertung, die Höhn den Indizien für einen Verstoß gegen das Beihilferecht und gegen das Vergaberecht beimisst: Höhn stellt die im Kommissionsschreiben dargelegten Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das europäische Beihilferecht als „Hauptvorwurf“ dar, obwohl der EU- und Kartellrechtler Prof. Jürger Keßler von der Verbraucherzentrale auf der PK eindeutig herausgestellt hat, dass ein Verstoß gegen das Vergaberecht die Nichtigkeit der Verträge zur Folge haben könnte, während ein Verstoß gegen das Beihilferecht lediglich zur Rückführung der illegalen Subventionen führen würde. Auch – auf eine Nachfrage der Morgenpost antwortend – präzisierte Prof. Keßler auf der Pressekonferenz, dass es völlig unerheblich sei, ob die Beihilfe bereits in der Realität zur Anwendung gekommen sei: „In der Tat ist auf diese … Ausfallgarantie des Landes Berlin nicht zurückgegriffen worden. Doch das spielt auch keine Rolle. Maßgeblich ist die tatsächliche Vertragsgestaltung“ (Ausschnitt Keßler: 2 gute Gründe).
Stellt man in Rechnung, dass den zitierten Verlautbarungen des Kommissions-Sprechers Carsten Lietz keine offizielle Stellungnahme zugrunde liegt, die den Eindruck einer nachvollziehbaren „Entscheidung“ vermitteln, dann scheinen hier Schnellschüsse abgefeuert worden zu sein, welche die vorgestellten Arbeitsergebnisse torpedieren sollen. Festzuhalten ist, dass nicht ein einziges Gegenargument angeführt worden ist, das die Argumentation des Schreibens entkräftet. Wer sich mit Argumenten inhaltlich auseinandersetzen oder vertraut machen und nicht Meinungsbekundungen blindlings folgen möchte, dem sei empfohlen, sich mit dem Schreiben von Transparency International und der Verbraucherzentrale zu befassen und sich die Tonmitschnitte der Pressekonferenz anzuhören.

s. „Brüssel bremst – Wasserverträge: Keine Prüfung wegen illegaler Subventionen.“ Von Sebastian Höhn – Berliner Zeitung v. 21.07.2011
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2011/0721/berlin/0086/index.html

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