Michael Müller´s solidarisches Grundeinkommen wird von Thadeusz leider nicht nur beobachtet…

UPDATE: Thadeus & seine 4 Beobachter beäugen auch Michael Müller´s solidarisches Grundeinkommen, wollen und können es aber nicht verstehen

Auch wenn Berlins regierender Bürgermeister Michael Müller mit seinem in der Berliner Morgenpost veröffentlichten Beitrag über ein solidarisches Grundeinkommen nicht nur Fragen, sondern auch Kritik provoziert, so bilden seine Gedanken eine wichtige Plattform für die Diskussion um Übergangsmodelle. Ob die Frage eines Systemwechsels in Richtung Grundeinkommen tatsächlich eine realistische Chance habt, hängt vor allem davon ab, wie diese Diskussion in den Leitmedien geführt wird. Gerade vor dem Hintergrund der wachsenden Medienkritik sind vor allem an die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten hohe Anforderungen zu stellen. Das rbb-Format „Thadeus und die Beobachter“ erscheint auch deshalb besonders beobachtungswert, weil hier ein Moderater einer öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalt mit vier Journalisten der (privaten) Printmedien aktuelle Themen diskutiert: Mit Claudia Kade (Welt), Elisabeth Niejahr (WirtschaftsWoche), Hajo Schumacher (Berliner Morgenpost), Claudius Seidl (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung).

Am 20. März wurde im Rahmen eines allgemeinen Themenhopping auch der Vorschlag von Michael Müller innerhalb von 8 Minuten weniger seriös diskutiert als abgehakt. Auffällig war die Ablehnung nicht nur des solidarischen, sondern generell eines Grundeinkommens als Alternative gegenüber dem gegenwärtig bestehenden System. Lediglich Claudius Seidl bekundete kurz seine Überzeugung (O-Ton Seidl 0:58), dass in 20 Jahren ein Großteil der Erwerbsarbeit nicht mehr von Menschen gemacht werden muss. Selbst der von Müller in Aussicht gestellte Wegfall der Sanktionen wurde abgelehnt, allen voran Elisabeth Niejahr (O-Ton 1:46 Min.).

Aus dem Interview in der Berliner Morgenpost:
„Was tun Sie in Ihrem Modell mit Leuten, die keinen solchen Job wollen? Soll es Sanktionen geben?“
Müller: „Es geht um Freiwilligkeit, keineswegs um einen Arbeitszwang… Wer eine Arbeit nicht aufnehmen will oder kann, bekommt auch weiterhin die Sozialleistungen, die wir kennen. Mir geht es um einen Schritt nach vorne.“

Beschämend waren vor allem die ungenauen und falschen Angaben der Journalisten: Bereits im Eingangsstatement verglich Claudia Kade von der Zeitung „Die Welt“ den Vorschlag von Michael Müller mit den Arbeitsge­legenheiten, die mit den sogenannten 1-Euro-Jobs geschaffen wurden, ohne bei diesem Vergleich – und das ist entscheidend – zu berücksichtigen, dass a) diese Jobs in der Regel auf eine wöchentliche Arbeitszeit von 30 Stunden beschränkt waren und b) Vergünstigungen wie die GEZ-Befreiung oder die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs zu sozial ermäßigten Tarifen für die von Armut betroffenen Menschen nicht gefährdet wurden. Und so wundert es auch nicht, wenn die hochbezahlten Journalisten auch kein Wort über die Verdiensthöhe verloren haben, geschweige denn ihre Aufmerksamkeit der Frage gewidmet haben, inwieweit ein Verdienst in diesem öffentlich geförderten Niedriglohnsektor vor Altersarmut schützt1. Auch in der Zielgruppen dürfte die Diskutanten daneben liegen: Es geht eben nicht um Personen, die nach einem Jahr Arbeitslosigkeit keine neue Anstellung gefunden haben, sondern es geht um Langzeitarbeitslose mit niedriger Qualifizierung, die sich nach prekärer Beschäftigung jetzt erneut im Niedriglohnsektor verdingen sollen!

Es ist zu befürchten, dass es sich bei den Vorstellungen von Michael Müller um eine Mogelpackung handeln könnte und sich herausstellt, dass hinter dem „solidarischen Grundeinkommen“ in Wirklichkeit das Hartz-System lediglich neu aufgelegt wird und sich als Geburtsstunde von Hartz V entpuppt! Ob sich diese Befürchtung bewahrheitet, hängt auch davon ab, wie die kommunale Beschäftigung ausgestaltet wird, ob die Tarifstruktur des öffentlichen Dienstes nicht unterhöhlt wird, und vor allem, ob es Müller wirklich gelingt, der Sanktionspraxis ein für allemal den Riegel vorzuschieben. Dann – und nur dann – würden nicht nur die Sozialgerichte entlastet (für Frau Niejahr übrigens auch Ausdruck eines „Sozialstaates mit sooo viel gewachsenen Rechtsansprüchen“ – ja, was denn Frau Niejahr? Steht der Sozialstaat für Sie außerhalb des Rechtsstaates?), sondern wir hätten einen tatsächlichen Meilenstein unter all den Baustellen, die dennoch bestehen bleiben.

Insgesamt muss der Thadeusz-Talk als ein intellektuelles Armutszeugnis bewertet werden. Wer unter Hinzuziehung von Journalisten in Führungspositionen derartige Plattitüden absondert, der befeuert die Kritik an den Leitmedien: Wer aus seiner Komfortzone mit arroganter Selbstgefälligkeit von oben auf von Armut betroffene Menschen nicht nur herunterschaut, sondern diese auch noch gegeneinander auszuspielen versucht, dem sollen die Leser auch weiterhin davon laufen, und zwar in Scharen.

1 Aus dem Interview in der Berliner Morgenpost: „Wie hoch soll das Einkommen denn sein?“
Müller: „Wir orientieren uns am Mindestlohn. Da landet man als Single in Vollzeit bei etwa 1500 Euro brutto oder 1200 Euro netto. Wenn man Kinder hat, kommt noch das Kindergeld dazu.“

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