Note 6 – Warum die außerparlamentarische Kritik „Berliner Polit-Stammtische“ an den Senatsplänen zur Änderung direktdemokratischer Beteiligungsmöglichkeiten ungenügend ist.

Volksentscheid retten? – Von wegen: Die Scheinkritik läuft ins Leere

Note 6 – Warum die außerparlamentarische Kritik „Berliner Polit-Stammtische“ an den Senatsplänen zur Änderung direktdemokratischer Beteiligungsmöglichkeiten ungenügend ist

In den letzten Tagen werden unter der Überschrift „EILIG: Aufruf Volksentscheid retten“ über verschiedene Listen Mails verschickt, die gegen das Vorhaben des Berliner Senats zur Neuregelung von Volksbegehren und Volksentscheiden gerichtet sind. Allerdings sind die Forderungen völlig ungenügend. Schlimmer: SIe laufen ins Leere. Statt den Vorstoß des Berliner Senats und die bisher gängige Praxis von groß angelegten, aus Steuermitteln finanzierten Anti-Kampagnen mit wirkungsvollen Forderungen ins Visier zu nehmen, wird den Adressaten mit inhaltsleeren Forderungen und falschen Behauptungen vorgegaukelt, dass es den Initiatoren darum ging, die direkte Demokratie zu stärken. Das Gegenteil ist der Fall.

Es wird behauptet:

„Der Senat will künftig seine Öffentlichkeitsarbeit gegen Volksbegehren und Volksentscheide aus Steuermitteln finanzieren. Für die InitiatorInnen von Volksentscheiden hingegen würde es in Berlin auch künftig keinerlei öffentliche Kostenerstattung geben. In anderen Bundesländern ist das möglich.
Das Ungleichgewicht zwischen Bevölkerung und Regierung muss verringert statt verstärkt werden.“

An dieser Praxis ist nichts neu: Der Senat hat all seine Kampagnen gegen Volksbegehren und Volksentscheide aus Steuermitteln finanziert. So wurden beispielsweise für die  Projekt-GmbH, die der Senat für die Entwicklung des Tempelhofer Feldes einsetzte, jährlich eine Million Euro veranschlagt. An dieser Praxis ist somit nichts neu. Zur Kostenerstattung: Diese wird auch nur in wenigen anderen Bundesländern nachträglich (!) erstattet, aber nur, wenn der Volksentscheid erfolgreich war. Es erschließt sich folglich nicht, warum eine nachträgliche Kostenerstattung das „Ungleichgewicht zwischen Bevölkerung und Regierung“ verringern sollte.

Wichtiger wäre die rückhaltlose Transparenz der Ausgaben des Senats gegen Volksbegehren und Volksentscheide wie ein materielles Ausgleichs-, besser: Begrenzungsverfahren zu fordern, das den Senat zwingt, nicht mehr Gelder auszugeben als die Initiatoren eines Volksbegehrens. Das wäre natürlich auch eine geeignete Systemvorgabe zur Herstellung einer materiellen Waffengleichheit zwischen der repräsentativen und der direkten Demokratie. Gleichzeitig böte sich mit einem solchen Verfahren auch die Chance, mit wenig Geld politisch im Rahmen der dirketen Demokratie etwas zu bewegen, wie das beim Wasser-Volksbegehren gelungen war!

Weiter wird behauptet:

„Zukünftig soll schon eine einzelne unleserliche Angabe oder auch ein abgekürzter Straßenname zur Ungültigkeit der Unterschrift führen – auch wenn die unterschreibende Person eindeutig erkennbar ist. Das erhöht die Zahl ungültiger Unterschriften völlig unnötig, denn Missbrauch hat es nicht gegeben. Für die Berlinerinnen  und Berliner wird es dadurch noch schwerer, ihre Anliegen zum Volksentscheid zu bringen.“

Dieses Vorhaben des Senats ist nachvollziehbar, denn schließlich bringen die Bürger dieser Stadt mit ihrer persönlichen Unterschrift ein Gesetz auf den Weg. Daher sind hier hohe Anforderungen an die Unterschrift und die vollständigen, leserlichen Angaben des Volksgesetzgebers zu leisten. Viel wichtiger wäre es in diesem Zusammenhang, dass die Wahlleiterin Forderungen der Initiatoren an Layout und Gestaltung der Unterschriftsbögen widerspruchslos umzusetzen hat. Beim Wasser-Volksentscheid wollten wir beispielsweise größere Zeilenabstände bei den Unterschriftslisten, die das handschriftliche Ausfüllen erleichtern.

Und schließlich zum 3. Punkt:

„Gleichzeitig soll im Eilverfahren das Gesetz zum Erhalt des Tempelhofer Feldes ausgehebelt werden, das 740.000 Berlinerinnen und Berliner per Volksentscheid beschlossen haben.“

Und auch hier gilt der Grundsatz, dass jedes Gesetz novelliert werden kann und auch Plebiszite bzw. Volksgesetze nicht auf ewig in Stein gemetzelt sind. Allerdings wäre im Rahmen einer verfassungsrechtlichen Überprüfung darzulegen, ob  es nicht geboten erscheint, höhere Anforderungen an den parlamentarischen Gesetzgeber zu stellen, wenn dieser ein Volksgesetz im Rahmen des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren verändern will. Zu denken wäre als ultimative Mindestforderung, dass ein parlamentarischer Änderungsgesetz mindestens auch einer erneuten Volksabstimmung zugeführt werden muss. Auch hier muss bei der Zusendung der Abstimmungsunterlagen den ursprünglichen Initiatoren des Volksentscheids die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme eingeräumt werden.
Auch wäre daran zu denken, dass für die Abänderung eines Volksgesetzes mindestens im Parlament eine 2/3 Mehrheit erforderlich ist.

Eine entsprechende glaubwürdige und vor allem konsequente Antwort auf das Vorhaben des Senats wäre der Start eines neuen Volksgesetzes zum Schutz der direkten Demokratie, in dem – wie unter Punkt 3 dargelegt – die Hürden für Parlament und Regierung entsprechend hoch angesetzt werden, wenn diese Einrichtungen Volksentscheide durch parlamentarische Gesetze aushebeln wollen. Ein solches neues Volksgesetz wäre vom Umfang überschaubar und durchaus vergleichbar mit dem kurzen Volksgesetz zur Offenlegung der geheimen Teilprivatisierungsverträge bei den Berliner Wasserbetrieben.

Mit diesem Dokument stelle ich ERSTMALS folgende Vorschläge vor:

Entwurf eines neuen
Volksgesetzes zum Schutz von Volksentscheiden

  1. Änderungen an Volksgesetzen durch das Abgeordnetenhaus von Berlin erfordern a) eine 2/3 Mehrheit im Abgeordnetenhaus und müssen b) einer erneuten Volksabstimmung zugeführt werden.
  2. Senat, Abgeordnetenhaus und landeseigene Unternehmen bzw. Tochtergesellschaften müssen ihre Ausgaben und Kosten transparent und übersichtlich zeitnah veröffentlichen. Die Höhe der öffentlichen Ausgaben darf die Ausgaben des ursprünglichen Volksentscheids nicht überschreiten. Die Summe der veranschlagten öffentlichen Ausgaben ist den Vertrauenspersonen des ursprünglichen Volksentscheids zur Verfügung zu stellen, damit diese die Kosten für die Öffentlichkeitsarbeit der neuen Volksabstimmung finanzieren können.
  3. Den Vertrauenspersonen des ursprünglichen Volksentscheids ist bei den Wahlunterlagen für den neuen Volksentscheid (Änderungsgesetz) genauso viel Raum für eine Stellungnahme einzuräumen wie dem Abgeordnetenhaus und dem Senat.

Eine Begründung dieses neues Volksgesetzes kann beim Urheber des Gesetzestextes, Thomas Rudek, jederzeit angefordert werden (Kontaktdaten s.u.)

Thomas Rudek (Verfasser und Sprecher des ersten erfolgreichen Volksentscheids in Berlin)

Rüchfragen bitte an Thomas Rudek unter 030 / 2613389 oder 01578 / 5926189 oder an die Juristin Sabine Finkenthei unter 030 / 6930842.

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