Wasserkampf geht juristisch weiter
Initiativen und Opposition erwägen, die Teilprivatisierung vorm Verfassungsgericht zu kippen
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Um den Kampf ums Wasser wieder in Fluss zu bringen, lud der Berliner Wassertisch (Muskauer Straße) deshalb am Mittwochabend in die Westberliner Urania zur Veranstaltung »Warum Privatisierung kein Allheilmittel ist – oder sogar die Demokratie gefährden kann«. Mit dem ehemaligen Richter des Bundesverfassungsgerichts, Siegfried Broß, und dem ehemaligen Vizepräsidenten des Bundeskartellamts, Kurt Stockmann, war die Veranstaltung durchaus prominent besetzt.
Wobei der Schwabe Broß so etwas wie ein Hoffnungsträger der Berliner Privatisierungskritiker werden könnte. Der bekannte Jurist hat ermittelt, dass die Zahl staatlicher Beteiligungen allein auf Bundesebene von 985 im Jahr 1982 auf heute unter 100 zurückgegangen sind. »Vor etwa 30 Jahren ging es um den schlanken Staat, der dann allerdings doch zu magersüchtig wurde und den verfassungsrechtlichen Body-Mass-Index der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland verfehlte«, umreißt Broß das Problem.
Verstößt die Fehlentwicklung Privatisierung also gegen das Grundgesetz, weil die darin niedergelegten Grundsätze verändert wurden? Werden durch den Ausverkauf an Private das Sozialstaats- wie auch das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip unterlaufen? Juristische Fachbegriffe, die aber für den Berliner Fall Ansätze liefern könnten, doch noch gegen die Teilprivatisierung des Wassers vor das Verfassungsgericht zu ziehen. Diesen Weg präferiert derzeit vor allem der Landesvorsitzende der Linkspartei, Klaus Lederer, der diese Option »seriös checken« will. »Wir müssen jemanden wie Siegfried Broß finden, der vielleicht eine solche Klage wegen Verstoßes gegen das Demokratieprinzip vor das Verfassungsgericht übernimmt«, sagt Lederer. Zugleich gelte es, eine größere »Allianz« auch mit den Beschäftigten der Wasserbetriebe und den Gewerkschaften zu schmieden, um den Schwindel mit dem Teilrückkauf der RWE-Anteile durch den Senat aufzudecken.
Sollte es für eine Verfassungsklage gute Aussichten geben, wäre das auch eine Option für die Grünen, meint Heidi Kosche, die für die Partei im Abgeordnetenhaus sitzt. Gemeinsam mit den Piraten beschreiten die Grünen zunächst jedoch einen anderen juristischen Weg: Mit einer sogenannten Normenkontrollklage sollen die hohen Wassertarife zu Fall gebracht werden. Durch den Prozess gegen das Berliner Betriebegesetz, so der Plan, soll zudem der Diskussion zum Wasser neuen Schwung verliehen werden. Neben den juristischen Aspekten ist Kosche aber auch ein anderer Punkt wichtig: »Dass sich alle, die sich fürs Wasser interessieren, wieder zusammenraufen – und wie beim erfolgreichen Volksentscheid wieder an einem Strang ziehen.«“
KOMMENTAR Wasserbürger:
Lieber Martin Kröger,
warum schreiben Sie nur von der Normenkontrollklage und nichts über die Einschätzung von Prof. Broß, ob eine Normenkontrollklage gegen das Betriebegesetz eine geeignete „Waffe“ gegen die Verträge ist? Denn genau darum ging es im Volksgesetz: Um die Anfechtung der Verträge mit ihren Gewinngarantien für die Konzerne. Die Frage aus dem Publikum, ob Prof. Broß auch nur ein einziger Präzedenzfall bekannt sei, mit dem durch eine Normenkontrollklage privatrechtliche Verträge angefochten werden konnten, verneinte Prof. Broß. Wenn wunderts, denn – wie Prof. Broß ausführte – sind Normenkontrollklagen gegen Gesetze sehr eng an die Verfassung gebunden. Anders sind die Möglichkeiten einer Organklage durch Abgeordnete, wie sie vom „Arbeitskreis unabhängiger Juristen“ (AKJ) erarbeitet worden sind und entweder – wie auf der Veranstaltung totgeschwiegen werden – oder von Lederer im Abschlussbericht des Sonderausschusses durch fadenscheinige „Argumente“ abgebügelt werden. Nun denn: Das Wahlergebnis in Niedersachsen sollte eigentlich alle Alarmglocken auslösen… Statt zwei Jahre nach dem Volksentscheid sollte die LINKE endlich den Kontakt zum AKJ aufnehmen, um die Verträge auf Ihre Verfassungswidrigkeit untersuchen zu lassen.