Preissenkungsverfügung des Bundeskartellamts gegen den Berliner Wasserbetrieben steht auf wackligen Füßen – Staatssekretärin Sudhof schließt Schiedsverfahren mit einem Streitwert von 280 Mio. € nicht aus!
Berlin, 02.01.2013. Die Offenlegung der ursprünglich geheimen Verträge zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe zwischen dem Land Berlin und den privaten Anteilseignern RWE Aqua und Veolia Wasser hat die Ursachen für die hohen Wasserpreise in Berlin aufgedeckt: Neben einer vertraglich zugesicherten Gewinnausfallgarantie wie der disproportionalen Gewinnverteilung, nach der die privaten Anteilseigner weit aus mehr als die Hälfte der Gewinne aus dem Berliner Wassergeschäft abgeschöpft haben, während sich das Land Berlin als Mehrheitseigner mit weniger begnügen musste, ist auch den bisherigen und den zu erwartenden vertraglich vorgesehenen Schiedsverfahren eine preistreibende Funktion beizumessen, wie Frau Dr. Sudhof, Staatssekretärin des parteilosen Finanzsenators Nußbaum, bereits auf der 17. Sitzung des Sonderausschusses zur Prüfung der Wasserverträge einräumte. Bereits den beiden ersten geheimen Schiedsverfahren lag ein Streitwert von 400 Mio. € zugrunde. Zur Preissenkungsverfügung des Bundeskartellamts prognostizierte die Staatssekretärin:
„Wenn das Bundeskartellamt sich durchsetzt und es zu einer Wasserpreissenkung infolge der Entscheidung des Bundeskartellamtes kommt, haben wir ein weiteres Schiedsverfahren mit einem potenziellen Streitwert von 280 Millionen Euro.“[1]
Von dieser Prognose unberührt ist der Ausgang des Rechtsstreits vor den Gerichten. Selbst wenn die Berliner Wasserbetriebe den Prozess gegen das Bundeskartellamt verlieren sollten und die Preissenkungsverfügung gerichtlich für rechtens erklärt wird, stellt sich die Frage, ob die Kosten der Preissenkungsverfügung durch einen Gewinnverzicht sowohl vom Land Berlin als auch vom verbleibenden privaten Teilhaber Veolia Wasser zu tragen sind. Der verbleibende private Teilhaber Veolia wird im Rahmen des vertraglich vorgesehenen geheimen Schiedsverfahrens durchzusetzen versuchen, dass die Kosten der Preissenkungsverfügung allein vom Land Berlin zu tragen sind und nicht anteilig verrechnet werden zu Lasten der privaten Gewinnerzielung.
Der „Arbeitskreis unabhängiger Juristen“ (AKJ) plädiert dafür, auch geheime Schiedsverfahren verfassungsrechtlich auf den Prüfstand zu stellen, da die Streitwerte in den vorliegenden Fällen der Wasserbetriebe eine Größenordnung erreicht haben, die das parlamentarische Budgetrecht entscheidend verletzen. So stellte Rechtsanwalt Olav Sydow vom AKJ sowohl in der Anhörung als auch in einer Stellungnahme zum Abschlussbericht des Sonderausschusses deutlich heraus:
„Durch die Übertragung der Zuständigkeit auf ein Schiedsgericht ist die Möglichkeit einer parlamentarischen Kontrolle des Verwaltungshandelns ausgeschlossen und die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht mehr in ausreichendem Maß sichergestellt. Da etwaige Schiedsverfahren vertraulich sind, haben die Parlamentarier keine Möglichkeit, die Prozessführung durch den Senat zu beobachten und nach Abschluss des Verfahrens zu überprüfen. Nach der Schiedsvereinbarung sind die Öffentlichkeit und das Parlament noch nicht einmal darüber zu informieren, ob überhaupt ein Schiedsverfahren durchgeführt wird, so dass das Handeln des Senats der parlamentarischen Kontrolle völlig entzogen ist. Die gegenseitige Kontrolle der Staatsorgane ist jedoch ein wesentliches Verfassungserfordernis, das sich aus dem Gewaltenteilungsprinzip in Artikel 20 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz ergibt. Schließlich verlangen auch das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip einen gewissen Grad an Transparenz und Öffentlichkeit bei gerichtlicher Kontrolle.“[2]
Für Juristin Sabine Finkenthei, die den AKJ seit dem Bestehen koordiniert, steht fest,
„dass die Vertragsparteien im Rahmen der Änderungsvereinbarungen Regelungen getroffen haben, die unbestimmt und auslegungsoffen abgefasst worden sind, so dass anschließende Auslegungsstreitigkeiten schiedsgerichtlich beigelegt werden müssen. Hier sind auch vorsätzlich juristisch äußerst trickreiche Hebel installiert worden, um den Cash flow der privaten Anteilseigner noch einmal zusätzlich zu optimieren. Daher sollte es im ureigensten Interesse aller Berliner Abgeordneten liegen, auch diese Schiedsverfahren im Rahmen eines Organstreitverfahrens von dem zuständigen Berliner Verfassungsgericht klären zu lassen. Das ist eine einmalige Gelegenheit“.
Entsprechend hat der AKJ auf dieses verfassungsrechtlich bedenkliche Konstrukt bereits in seinem Leitfaden „Nichtigkeit der Berliner Wasserverträge und ihre Geltendmachung“ hingewiesen.
Thomas Rudek (Verfasser und Sprecher des ersten gewonnen Volksentscheids in Berlin zur Offenlegung der Geheimverträge bei den teilprivatisierten Berliner Wasserbetrieben)
Tel.: 030 / 261 33 89 (AB) / Mobil: 01578 / 59 261 89.