Artikel von Werner Rüegemer mit anschließendem Interview „Das Umgehungsgeschäft. EuGH: Kölner PPP-Vertrag ist nichtig“, in: „junge welt“, 10.11.2009.
Urteil gegen Umgehungsgeschäft
Europäischer Gerichtshof: Der Public Private Partnership-Vertrag über die Kölner Messhallen ist nichtig
Werner Rügemer
Die überregionalen Medien berichten genüßlich, daß der Europäische Gerichtshof (EUGH) in seinem Urteil vom 29. Oktober 2009 dem „Kölschen Klüngel“ einen Schlag versetzt habe. Doch die Seilschaften reichen von Köln über Düsseldorf bis nach Berlin. Vor allem: Das Urteil demaskiert die Umgehungsgeschäfte in der vorherrschenden Privatisierungspraxis.
Das Urteil besagt, ins Allgemeinverständliche übersetzt: Die Stadt Köln hat zugunsten ihres heimischen Vorzugsinvestors Oppenheim-Esch-Holding trickreich das Recht gebrochen. Die Stadt hatte am 6.8.2004 mit der Grundstücksgesellschaft KölnMesse 8-11 GbR (GKM), einer Tochtergesellschaft der Holding, einen „Mietvertrag über die Anmietung eines Grundstücks mit vier Messehallen“ geschlossen. Der Investor hat die Messehallen gebaut, die Stadt mietet sie bis 2035. Das stellt aber, so der EUGH, der Substanz nach keinen Mietvertrag dar, sondern einen Bauauftrag. Denn der Investor hat nicht nach eigenen Plänen gebaut und dann einen Mieter gesucht, sondern er hat nach genauen Vorgaben der Stadt vier Messehallen errichtet, die von vornherein nur auf den Bedarf der Messegesellschaft KölnMesse GmbH ausgerichtet waren. Ein Bauauftrag eines öffentlichen Auftraggebers aber hätte öffentlich ausgeschrieben werden müssen, und das hat die Stadt Köln nicht getan.
Bei einer öffentlichen Ausschreibung hätte ein ungewollter Anbieter den Auftrag bekommen können. Die beiden Vertragspartner waren sich aber offensichtlich einig, daß der Oppenheim-Esch-Fonds als Investor schon feststand. Dafür gibt es mehrere Indizien. Aufsichtsratsvorsitzender der KölnMesse war der Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU), stellvertretender Vorsitzender war Alfred Freiherr von Oppenheim, damals Chef der Bank Oppenheim, der die Hälfte des Fonds gehört. Außerdem hatte die Stadt schon zwei ähnliche Verträge mit dem Fonds abgeschlossen, über das Technische Rathaus Deutz und über das Bezirksrathaus im Stadtteil Nippes.
Die Gründe für den Rechtsbruch gehen aber noch weiter. Der Vertrag läuft bis 2035. Die monatliche Miete von 1,725 Millionen Euro mit eingebauter Mietsteigerung würde auf einen Gesamtbetrag um die 800 Millionen Euro hinauslaufen – viel Geld. Weil aber das Messegeschäft ein unsicheres ist, sprang die Stadt als Hauptmieter ein. Sie vermietet die Hallen an den eigentlichen Nutzer, die KölnMesse. Die Stadt kann im Unterschied zur Messegesellschaft nicht pleite gehen. Prima für den Investor, der alle Risiken auf die Stadt abwälzt. Ein üblicher Trick bei Privatisierungen: Der Staat haftet.
Das Gerichtsverfahren wäre nicht durch den Staat oder das regierende Personal ingang gekommen, im Gegenteil. Die Kommunalaufsicht und die NRW-Landesregierung (sie ist an der KölnMesse GmbH mit 20 Prozent beteiligt) haben den Vertrag bis zuletzt verteidigt. Bei Bundeskanzlerin Merkel hat es wahrscheinlich gar nicht der 250.000 Euro-Spende der Bank Oppenheim im Jahre 2005 bedurft, damit die Bundesregierung die Herausgabe der Vertragsunterlagen an die Europäische Kommission jahrelang verzögerte, die zunächst auch kein Problem sah. Die Kölner Justiz leitete zwar ein Ermittlungsverfahren gegen den Oberbürgermeister Schramma wegen des Verdachts der Untreue ein; doch die Ermittlungen wurden eingestellt, weil dem OB kein Schädigungsvorsatz nachzuweisen sei. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft zwar gegen den Esch-Geschäftsführer Josef Esch u und den Ex-Chef der Sparkasse KölnBonn wegen Bestechung bzw. Bestechlichkeit. Aber erst die Beschwerde des Kölner Immobilienexperten Prof. Klaus Feinen löste das Verfahren aus und ging an die Wurzel des Problems.
Ein Unrechtsbewußtsein hat sich bei Kölns (Un)Verantwortlichen nicht eingestellt. Ex-OB Schramma beruft sich darauf, daß man das Vorgehen damals doch „mit den Juristen abgeklärt“ habe. Er hatte sich investorenfreundliche Juristen gesucht, die man heute an jeder Ecke mieten kann. Der neue OB Jürgen Roters (SPD) meint lediglich, der Vertrag sei „nicht gut“ gewesen. Der SPD-Fraktionschef Martin Börschel redet sich damit heraus, man habe sich auf Schrammas intensive Prüfung verlassen; Rechtsanwalt Börschel hat offensichtlich bis heute kein eigenes Rechtsempfinden. Die Grünen hoffen lediglich auf ein möglichst niedriges Bußgeld. Nur die kleinen Fraktionen Linke und BürgerBündnis fordern schon länger die Rückabwicklung, der reale Wert der Messehallen müsse ermittelt, die Miete neu kalkuliert werden.
Der EuGH hat nur über das Verhalten der Stadt geurteilt; die Rolle des Investors war nicht Gegenstand des Verfahrens. Das Urteil enthält keine Strafen und keine Auflagen. Es bleibt zunächst der Kommission, der Bundes- und der Landesregierung und der Stadt Köln überlassen, den Verstoß zu heilen. Abriß, Rückabwicklung, weiter so – alles ist denkbar. (vgl. Interview) Wenn es keine Einigung gibt, kann die Kommission erneut vor Gericht gehen. Dann droht (theoretisch) eine Strafzahlung, die eine dreistellige Millionenhöhe erreichen kann.
Einen Grundsatz aber hat das Urteil bestätigt: Die heute üblichen, von „renommierten“ und hochbezahlten Anwälten formulierten Umgehungskonstrukte, mit denen gesetzliche Regelungen unterlaufen werden sollen, sind nichtig. Das hätten auch deutsche Gerichte feststellen müssen. Dass es erst der EuGH tat, spricht Bände über den Zustand des von vielen noch gefühlten Rechtsstaats Deutschland.
Das Urteil
Die Europäische Kommission ermittelt seit 2007, ob die Stadt Köln im Zusammenhang mit dem Bau von vier Messehallen für die städtische Tochtergesellschaft KölnMesse GmbH gegen das Wettbewerbsrecht der Europäischen Union verstoßen hat. Es geht vor allem um die Frage, ob der Kölner Investor Oppenheim-Esch-Immobilien Holding durch staatliche Beihilfen begünstigt wird. Weil die Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD – für die Europäische Kommission sind immer die jeweiligen Regierungen der Ansprechpartner – ein Fehlverhalten der Stadt Köln verneinte, verklagte die Kommission die Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 226 EG vor den Europäischen Gerichtshof (EUGH) in Luxemburg wegen Verstoßes gegen das Vergaberecht.
Die 4. Kammer des EUGH unter Vorsitz des belgischen Richters Koen Lenaerts urteilte am 29. Oktober 2009: Der Vertrag zwischen der Stadt Köln und dem Investor Grundstücksgesellschaft KölnMesse 8-11 GbR (GKM), einer Tochtergesellschaft der Oppenheim Esch-Immobilien Holding, stellt einen Verstoß gegen die Europäische Vergaberichtlinie 93/37/EWG dar. Diese ist rechtlich für die alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bindend. Die öffentliche Beihilfe und die Wettbewerbsverzerrung bestehen darin, daß der Bau der Messehallen nicht europaweit ausgeschrieben wurde. Der Vertrag ist kein Mietvertrag, wie die Stadt behauptet, sondern ein öffentlicher Bauauftrag, denn der Investor habe nach den Vorgaben der Stadt gebaut. Als öffentlicher Bauauftrag hätte er europaweit ausgeschrieben werden müssen. Die Stadt gewährt dem Investor eine Subvention, weil der Vertrag nicht mit dem Hallennutzer, der Messegesellschaft KölnMesse, sondern mit der Stadt abgeschlossen wurde, die als Hauptmieter auftritt. Die Bundesrepublik hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. (Aktenzeichen C-536/07)
Interview mit dem Kläger Prof. Klaus Feinen
„Wenn Köln den Investor auszahlt, kann sie 300 Millionen Euro sparen“
Prof. Klaus Feinen (69), Köln, hat das Verfahren vor dem EuGH ingang gebracht. Er war bis 2003 Chef der Immobiliengesellschaft der Deutschen Bank, Deutsche Immobilien Leasing (DIL). Er war auch Präsident des Bundesverbandes Deutscher Leasingunternehmen und des Europäischen Verbandes LeaseEurope sowie Mitglied im Ausschuss Handel und Dienstleistungen der EU.
Aus welchem Anlaß haben Sie sich mit den Kölner Messehallen befaßt?
Ich wurde im Juni 2005 von Journalisten über einen Mietvertrag der Stadt Köln mit dem Esch-Oppenheim-Fonds informiert. Ich kam schnell zum Ergebnis, dass dieses Geschäft öffentlich hätte ausgeschrieben werden müssen. Damit kam ich in der Sendung „die story“ des WDR und am 4.7.2005 in „Monitor“ zu Wort. Am Tag danach beschwerte sich eine Anwaltskanzlei im Auftrag der Esch Oppenheim-Holding beim Intendanten des WDR und bezichtigte die Sendeverantwortlichen der Unwahrheit. Sie konnten nichts ausrichten, weil alle Unterlagen korrekt waren.
Wie waren die Reaktionen bei den Politikern?
Der Kölner OB Fritz Schramma sagte, meine Beurteilung sei „irrelevant“, er hat eindeutig Lügen verbreitet. Dann habe ich NRW-Ministerpräsident Rüttgers informiert, dass Köln gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und gegen Erlasse und die Gemeindeordnung des Landes NRW verstoßen hat. Ich habe ihn gebeten, den Deal kommunalaufsichtsrechtlich aufzuheben. Ich habe dem Ministerpräsidenten mitgeteilt, dass meine Dokumentation auch der Kölner Staatsanwaltschaft übermittelt werde. Ich informierte auch den Finanzminister Dr. Linssen. Ebenfalls wurden als oberste NRW-Kommunalaufsicht der Innenminister Wolf und der Kölner Regierungspräsident Lindlar von mir gebeten, die Verträge für ungültig zu erklären.
Haben Sie auch die Justiz eingeschaltet?
Ich habe am 23. Juli 2005 den Kölner Generalstaatsanwalt Dr. Linden informiert, dass hier augenscheinlich Betrug bzw. Untreue vorliege. Ich schrieb immer wieder dem zuständigen Staatsanwalt Dr. Prinz.
Wie waren die Reaktionen?
Monatelang hat niemand der Genannten geantwortet. Lediglich der Regierungspräsident hat im Februar 2006 geantwortet, daß eine öffentliche Ausschreibung nicht nötig gewesen sei. Deshalb habe ich mich an die Europäische Kommission in Brüssel gewandt und die Aufhebung des Vertrags gefordert. Am 22.3.2006 erhielt ich vom Generalstaatsanwalt die Mitteilung, dass meine Eingaben „keinen Anlass zu Maßnahmen“ geben. Am 3. Mai 2006 habe ich erneut die Europäische Kommission angeschrieben, notfalls sei das Klüngelsgeschäft mit Hilfe des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) für nichtig zu erklären. Die Bundesregierung hat dies immer zurückgewiesen. Im Oktober 2007 traf ich auf einer Veranstaltung in Berlin den zuständigen EU-Kommissar. Sechs Wochen später reichte die Kommission ihre Klage ein.
Was folgt aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes?
Der Vertrag muß aufgehoben und rückabgewickelt werden. Die Stadt erstattet dem Investor gegen Übertragung des Eigentums die nachgewiesenen Grundstücks- und Baukosten; sie sollte dies durch einen Kommunalkredit finanzieren. Damit würden im Vergleich zum bisherigen Vertrag etwa 300 Millionen Euro eingespart. Die Stadt kann die Hallen dann neu an die KölnMesse GmbH vermieten. Wenn nichts passiert, wird die Europäische Kommission beim EuGH gegen Die Bundesrepublik Deutschland einen zweiten Prozess mit höchster Aussicht auf Erfolg zur Verhängung von Strafgeldern in voraussichtlich dreistelliger Millionenhöhe einleiten.
Interview: Werner Rügemer