Brief an Maybrit Illner: „Die oder wir? Der brutale Kampf um Rohstoffe“

Sehr geehrte Frau Illner,

zunächst möchte ich Ihnen herzlich zur 500. Sendung gratulieren und Ihnen wie der Programmredaktion des ZDF danken, dass die Privatisierung des Wassers in den Mittelpunkt Ihrer Sendung bzw. der 46. Kalenderwoche gestellt worden ist. Auch der ökologische 2-Teiler „Verschollen am Kap“ hebt sich wohltuend von vielen anderen Unterhaltungssendungen ab. Hoffentlich ermuntern die Einschaltquoten Ihre Kollegen in der Programmredaktion diesen hohen Anspruch von Unterhaltung und informativer Aufklärung fortzusetzen.

Freilich ist es sehr schwierig, innerhalb einer Stunde alle Aspekte der Wasserprivatisierung anschaulich zu vermitteln. Umso überraschter war ich, dass Sie sogar die Bedeutung von Positionslimits und deren „Reaktivierung“ im Zusammenhang mit dem Spekulationsgut Nahrungsmitteln zur Sprache bringen konnten.

Etwas mehr „Contra“ hätte ich mir auf die Ausführungen von  Entwicklungsminister Dirk Niebel gewünscht: Wenn sich Minister Niebel als Verfechter für Transparenz im globalen Wassergeschäft in Szene setzt und in gleichem Atemzug die Bedeutung der Privatwirtschaft bei der Lösung der globalen Wasserkrise herausstellt, dann lässt Herr Niebel leider unter den Tisch fallen, unter welchen intransparenten Rahmenbedingungen diese Investments abgeschlossen werden. Damit die privaten Investoren ihren lukrativen Schnitt machen, wird in der Regel das Investment durch PPP-Verträge (Public-Private-Partnership) abgesichert. Kernbestandteil solcher Verträge sind Gewinnausfallgarantien, die – wie sollte es anders sein – von den Steuerzahlern aufgebracht werden. Im Klartext: Ein Großteil der Entwicklungshilfe kommt nicht den Menschen in der 2/3 Welt zu gute, sondern landet in den Taschen der privaten Investoren.

In Berlin ist 1999 die größte Teilprivatisierung abgeschlossen und mit einem geheimen PPP-Vertrag unter Dach und Fach gebracht worden. Die Berliner Wasserbetriebe sind zu 49,9 Prozent an die Konzerne RWE und Veolia verhökert worden. Seit dem sind die Wasserpreise um 35 % gestiegen und weit über einer Milliarde Euro sind aus den Taschen der Berliner herausgepumpt worden. Während in Bolivien mit Waffengewalt um das wichtigste Nahrungsmittel gekämpft werden muss, haben wir in Berlin mit einem von über 660.000 Berlinern unterstützten Volksentscheid dafür sorgen müssen, dass diese Verträge gesetzlich offen gelegt worden sind. Auch ist es unterdessen gelungen, dass eine Arbeitsgruppe unabhängiger Juristen (aus verschiedenen Rechtsgebieten intradisziplinär zusammengesetzt, die meisten promoviert) diese Verträge nicht nur analysiert hat, sondern auch Wege aufgezeigt hat, wie diese Verträge durch unsere Feierabendparlamentarier angefochten werden könnten (den Leitfaden finden Sie und andere Interessierte auf der Homepage www.wasserbuerger.de).  Es wäre wirklich wünschenswert, wenn es uns gelänge, solche vertraglichen Vereinbarung im Rahmen Öffentlich-Privater-„Partnerschaften“ (der Begriff mafiöser „Patenschaften“ erscheint mir angemessener) zu Fall zu bringen, denn schließlich dienen solche Vereinbarungen als juristische Blaupause, die auch für das internationale Wassergeschäft „exportiert“ werden.

Für die internationale Versorgungskrise wäre es gewiss wünschenswert, dass photothermisch betriebene Meerwasserentsalzungsanlagen stärker in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gelangen. Ich bin überzeugt, wenn mehr öffentliche Forschungsmittel für diese Form der Trinkwassergewinnung bereit gestellt worden wären und die Erkenntnisse nicht der privatrechtlich-kommerziellen Patentverwertung überlassen bleiben, dass wir dann schon wesentlich weiter sein könnten (s. hierzu das Zukunftsszenario in „Wem gehört das Wasser?“ auf dem oben genannten Internet-Portal). Vieles ließe sich noch ergänzend anmerken, angefangen vom angeblichen Know-How privater Konzerne und deren Kalkulationsgrundlagen wie deren Exporte alt ausgedienter Aufbereitungstechnologien bis hin zu deren Versagen bei der Wasserversorgung in Deutschland (die Schlagzeilen und die Wasserversorgungsprobleme in Spandau über mehrere Tage werden Sie gewiss auch verfolgt haben). Doch ich belasse es vorerst bei diesem Kurzkommentar und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Thomas Rudek
Verfasser des Berliner Volksgesetzes zur Offenlegung der geheimen Wasserverträge
Tel.: 030 / 261 33 89 (AB)
www.wasserbuerger.de

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